Die Digitale Personal“akte“ ist …

17. April 2018 10:55 Uhr  |  Lukas Nadler  |  Permalink


Die Personalakte im Zeitalter von Digitalisierung und KI

Ein Blick in Presse und Werbung zeigt: die Digitale Personalakte ist „in“. Die elektronische Akte ist aktuell eines der Themen, dass die öffentliche Verwaltung wie auch viele Unternehmen bewegt. Blickt man jedoch einige Jahre voraus, sind erhebliche Veränderungen zu erwarten, die bisherige Konzepte der elektronischen Akte, vielleicht auch der elektronischen Personalakte, obsolet machen.

Digitalisierung und die elektronische Akte

Im Rahmen der Digitalisierung wird auch die Personalarbeit von der Akquisition bis zur Pflege der Ehemaligen immer mehr durch elektronische Daten und Dokumente bestimmt. Zwei grundsätzliche Strategien sind hier im Markt zu beobachten:

  • HR-Anwendungen, die Dokumente als Aktensicht zusätzlich einbinden und
  • elektronische Aktenanwendungen, die auf die besonderen Anforderungen des Personalwesens spezialisiert sind.

Bei beiden Ansätzen gewinnt die Verarbeitung strukturierter Daten immer mehr an Bedeutung. Dies beginnt bei elektronischen Einreichen von Lebensläufen, Bescheinigungen während der Berufstätigkeit bis hin zu Belegen nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen. Elektronische Daten und Dokumente werden auch durch die weitergehende Anerkennung der rechtlichen Zulässigkeit digitaler Informationen immer wichtiger. Selbst in der öffentlichen Verwaltung setzt sich die elektronische Akte als die führende Akte durch.

Durch den Charakter der Information, personenbezogene Daten, gelten für Digitale Personalakten besondere Anforderungen, die eigenständige Lösungen oder besondere Anpassungen von Standard-Akten-Lösungen erforderlich machen.

Besonders die DS-GVO und zukünftige ePrivacy-Richtlinie führen dazu, dass sowohl von der Technik als auch der Organisation die Digitale Personalakte kein einfaches Thema ist.

In Bezug auf die Digitale Personal“akte“ gilt es so zwei Entwicklungen näher zu betrachten: 1. den Wandel zur Nutzung von Daten anstelle von Dokumenten und 2., dadurch bedingt, die Rolle der Personalakte als dokumentenorientierte Visualisierung von elektronischen Informationen.  

  1. Vom Dokument zu Daten
    Die aktuelle technologische Entwicklung führt zur Auflösung des klassischen Dokumentes. Nicht mehr Scans oder PDFs sind ausschlaggebend, sondern Daten. Dokumentcharakter wird dadurch erzeugt, dass solche Daten in einem Layout als “Dokument” visualisiert oder in einer Anwendung strukturiert in der Nutzeroberfläche angezeigt werden. Je mehr Informationen in Gesundheits-, Schulungs- und anderen Bereichen als Daten vorliegen, wird die Zahl traditioneller Dokumente auf Urkunden, Zeugnisse und bestimmte Bescheinigungen reduziert. Daten gewinnen die Oberhand.
    Anwendungen wie HR-Software sind datenorientiert. Sie nutzen Datenbank, für die Verwaltung strukturierter aber auch schwach strukturierter Informationen. Aus Sicht solcher HR-Produkte sind klassische Dokumente nur Ergänzungen, die zum Beispiel die Richtigkeit der Daten belegen den einen rechtlichen Nachweis in Gestalt eines Dokumentes erbringen. Gearbeitet wird mit den Daten.
    Daher sind reine HR-Anwendungen in Bezug auf die Zukunft der elektronischen Personalakte auch weiter fortgeschritten, als reine Aktenanwendungen auf Basis eines ECM Enterprise Content Management Systems, die in eine HR-Anwendung integriert werden müssen. Je mehr Daten und Dokumente das HR-System selbst verwaltet, desto weniger wird eine zusätzliche ECM-Software benötigt. Spezialisierte Aktenanwendungen, die über standardisierte Schnittstellen in die gängigen HR-Systeme verfügen, haben hier noch am Ehesten eine Chance.
     
  2. Von der Akte zum Informationscontainer
    Der Begriff “Akte” ist doppelt belegt. Zum einen bezeichnet er einen rechtlichen Vorgang, zum anderen eine geordnete Sammlung von Dokumenten zu einem Vorgang, Fall oder Sachbezug. Spricht man beim Dokumentenmanagement von Akten dann ist immer die strukturierte Zusammenfassung von elektronischen Dokumenten mit ihren dazugehörigen Metadaten gemeint. Dokumente werden häufig dann entsprechend einem Aktenplan strukturiert in die Akte abgelegt.
    An Personalakten gibt es darüber hinaus noch zahlreiche weitere Anforderungen, die sich aus dem Schutz personenbezogener Daten und Vertraulichkeitsanforderungen ergeben. Die Personalakte ist so wie oben ausgeführt ein Thema für ECM-Anbieter wie auch für Spezialanbieter von Personalsoftware.
    Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass Daten für die Personal”akte” in verschiedensten Anwendungen innerhalb des Unternehmens (ERP, HRM, Zeiterfassung, CRM usw.) wie auch außerhalb (Social Media, Portale) liegen.

Ist der PIC anstelle der Akte ein geeignetes Konzept?

Für ein effizientes Personal-(und Software- sic)-Ressourcen-Management müssen diese Daten aus verschiedenen Anwendungen zusammengeführt werden. Aus der Personal”akte” wird so ein Informationscontainer mit Daten und Dokumenten zu einer Person aber auch Rolle, Stelle, Gruppe oder Organisationseinheit – wo immer ein “Skill”-Profil benötigt wird. Die DSGVo und andere Gesetze machen den Schutz dieser Daten unerlässlich. Eine besondere Aufgabe dieses neuen “PIC Personal-Information-Container” wird daher der Schutz vor unberechtigter Nutzung, Auswertung und Verwertung sein. Dies ist keine leichte Aufgabe, da man in einem PIC durchaus effektiv über Berechtigungen in enthaltenen Daten und Dokumente schützen und verwalten kann, jedoch bleiben die Ursprungsquellen der Daten im PIC häufig weiterhin offen. Eine gute Erschließungs- und Analyse-Software a la Big Data kommt auch an diese Quell-Daten heran und kann diese auswerten. Der Schutz zentraler HR-(besser HSR Human-Software-Ressource-Lösungen)-Lösungen und von Personalaktensystemen wird so unterlaufen.
PICs kommt daher noch eine andere Aufgabe zu. Kritische personenbezogene Daten in Anwendungen durch anonymisierte Identitäten ersetzen und diese mit dem jeweiligen Informationsobjekt im PIC zu verlinken. Um zu ermitteln, wer eine solche Identität als reale Person hatte lässt sich dann nur im PIC ermitteln, in das sich aber nur Berechtigte einloggen kann. Eine übergreifende Auswertung zu einer Person und ihren Aktivitäten ist damit unterbunden und nur kontrolliert, durch autorisierte Benutzer in der HR – und/oder PIC-Anwendung möglich.

Ein PIC Personal-Information-Container bekommt so neben dem Zusammenführen von Daten und Dokumenten nebst Metadaten noch weitere Aufgaben wie z.B. das Identitätsmanagement, Verwaltung biometrischer Daten, Authentifizierungs- und Authentisierungsinformationen und andere. Und es stellt sich die Frage, ob man überhaupt separate “Personalakten-Anwendungen” braucht, sondern ein PIC nur als Sicht auf benötigte, zusammengehörige Informationen in bestehender HR-, Identity-Management-, Sicherheits-, Directory-Service- und Personalsoftware betrachtet. Ein PIC ist nicht einfach der Nachfolger der traditionellen digitalen Personalakte, sondern ein Objekt in einer anderen Art von Anwendung, die den neuen Anforderungen an das Management personenbezogener Daten gerecht wird.

Von den Daten zur Software

Gehen wir noch einen Schritt weiter: von den Daten zur intelligenten Software, die diese Daten nutzen wird.

“Human Resources” kümmert sich um Menschen. HR steht auch als Sammelbegriff für Softwareprodukte, Verfahren und Organisationsabteilungen in Unternehmen. HR definiert ein Berufsbild. HR ist für Unternehmen und die Beschäftigten in Unternehmen wichtig. Allein jedoch schon die Frage, ob “Resource” für Menschen noch opportun ist, sollte die HR-Community zum Nachdenken über die Grundprinzipien von Human Resource Management bewegen. Dazu kommt die Frage: lassen sich zukünftig “menschliche Resourcen” noch isoliert “managen”?
Software & Roboter werden zu Kolleg*innen: Künstliche Intelligenz KI, Nanotechnik, Cyborgs, Big Data Analytics, automatische Klassifikation & Co lassen grüßen. Der Mensch im Arbeitsleben muss immer mehr mit Software und Robotik zusammenarbeiten. Psychologisch schwierig wird es immer dann, wenn er sich der Technik unterordnen muss und sich von ihr gesteuert oder kontrolliert fühlt. Solche Software wird auch den Zugriff auf die Daten im HR-System und in der Personalakte reklamieren, um mit dem Menschen optimal zusammenarbeiten zu können oder ihm seine Arbeit zuzuweisen. Software wird Mitarbeiterauswahlverfahren steuern. Software wird sich um die „Pflege“ ausgeschiedener Mitarbeiter kümmern. Software wird alle für das Thema Personal relevanten Bereiche im Unternehmen immer weiter durchdringen.

Wird diese Form der Zusammenarbeit von Mensch, Maschine und Algorithmen bereits durch HRM Human Resource Management berücksichtigt?

Software wird vom kontrollierten Werkzeug zum beeinflussenden Bestandteil des Menschen selbst. Selbstbewußtsein, Selbstgefühl, Selbstbestätigung und Selbstwertschätzung werden sich in dieser hybriden Zukunft der Arbeitswelt neu finden müssen. Der Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass seine Arbeitnehmer in diesem veränderten Umfeld nicht nur funktionieren, sondern weiterhin einen wertgeschätzten, human angepassten Platz findet.

Kann HRM dann sich wirklich noch isoliert nur um den Menschen im Unternehmen kümmern?

Oder müssen wir dazu übergehen von HSR und HSRM Human & Software Resource Management zu sprechen. Müssen nicht Eigenschaften, Aufgaben und persönliche Weiterentwicklung, bei Software durch selbstlernende Systeme und Deep Learning, ebenfalls im Zusammenwirken mit den menschlichen Mitarbeitern “gemanagt” und verwaltet werden?

Der Schutz personenbezogener Daten bekommt so noch eine weitere Dimension. Und vielleicht ist die elektronische Akte oder der Personal Information Container dann der letzte Hort des Schutzes dieser Daten im Unternehmen.

 

Artikel von Dr. Ulrich Kampffmeyer „Die Digitale Personal“akte“ ist …“ in HR Performance 2/2018, www.hrperformance-online.de
Zur PDF: http://bit.ly/DPakteHRPerformance2018

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