Europäische Kommission veröffentlicht offiziell Standard für elektronische Rechnungen
22. Oktober 2017 09:43 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink
Die Europäische Kommission hat nun die offizielle Syntax für die Entwicklung und Implementierung von elektronischen Rechnungen nach der Direktive 2014/55/EU der europäischen Norm EN 16931 veröffentlicht: Official Journal of the European Union, L266, Band 60, 17.10.2017. Grundlage war das Assessment of the European Standard on electronic invoicing. Der Standard war vom CEN European Committee for Standardization entwickelt und getestet worden. Die beiden genehmigten Syntax-Definitionen sind
- UN/CEFACT Cross Industry Invoice XML message as specified in XML Schemas 16B (SCRDM — CII).
- UBL invoice and credit note messages as defined in ISO/IEC 19845:2015.
Rund um die EN 16931 gibt es zahlreiche Diskussionen – ist die Kommission zu kurz gesprungen, als sie nur zwei Teile des Standards, die Semantik, aber nicht die technischen Definitionen als für alle bindend erklärt hat. Gesetze sollten niemals technische Spezifikationen vorgeben, da diese bereits im Moment der Verabschiedung überholt sind oder nur mediokre kleinste gemeinsame Nenner der beteiligten Industrie darstellen. Somit bleibt auch bei den elektronischen Signaturen weiterhin Raum für eigene Entwicklungen. ZUGFeRD und FakturX sind solche – wenn auch nicht wünschenswert, da sie am altertümlichen Dokument-Charakter festhalten – aber legitim (http://bit.ly/ZUGFeRD20FacturaX). Auch nationale und branchenspezifische CIUS (Core Invoice Usage Specifications) Ausprägungen und Ergänzungen der Attribute nutzen diesen Spielraum. Die europaweite Standardisierung und die durchgängige Nutzung aller elektronischen Rechnungen bleiben aber auf der Strecke. So baut jeder seine eigenen Spezfikationen – Länder wie Deutschland mit XRechnung. aber auch aktuell die Italiener sowie Branchen mit ihren speziellen Attributen, die natürlich nicht im Grundbestand enthalten sind. Ein Zoo entsteht, der über lange Jahre gepflegt werden muss, damit die Rechnungen z.B. bei Prüfungen und Audits auch in 10 Jahren noch richtig verarbeitungsfähig, sprich “auswertbar nach GoBD” sind (hier hilft dann auch das PDF nicht mehr wenn die XML-Daten die originäre Rechnung sind, die verarbeitet wurde).
Wünschenswert wäre ein anderer Ansatz gewesen. Den Grundbestandteil als Pflichtkomponente einer selbstbeschreibenden, selbstdokumentierenden XML-Schema-Spezifikation und daran direkt angehängt die zusätzlichen Attribute, die im selbstbeschreibenden Kopf der Rechnung aufgeführt werden. Dies führt zu einem durchgehenden XML-Datensatz mit zwei Teilen, einem international normierten und einem individuellen nach Land, Branche oder Nutzungsmodell.
Ein solcher Ansatz wäre z.B. auch mit PEPPOL (PEPPOL Pan-European Public Procurement Online) umsetzbar. Während in Deutschland viel über “Verpackung” (ZUGFeRD 2.0) von E-Rechnungen, unterschiedliche Attribut-Zusammenstellungen (XRechnung) und Portale zur Übermittlung von Rechnungen an die öffentliche Verwaltung (föderales E-Rechnungsportal) diskutiert wird, gewinnt in Europa PEPPOL immer mehr Unterstützer. PEPPOL unterstützt dabei den gesamten Prozess (wie auch in der EU-Richtlinie zum Beschaffungswesen definiert ist) und nicht nur die elektronische Rechnung. Auch PEPPOL ist inzwischen EN 16931 konform (siehe auch openPEPPOL Release Candidate vom September 2017) und müsste daher eigentlich neben XRechnung und ZUGFeRD auch in Deutschland in der öffentlichen Verwaltung zugelassen werden. Deutschland ist übrigens einer der Entwicklungspartner von PEPPOL und so verwundert es besonders, daß Deutschland hier wieder viele eigene Sonderlocken entwickelt und nicht auf diesen Standard für die öffentliche Verwaltung setzt.
Bei den weiteren technischen Standards im Umfeld der EN 16931 (z.B. solche intelligenten Dinge wie die UN/CEFACT in kleine Schnipsel zerlegen, sodass man sogar mit Twitter Rechnungen versenden könnte) müssen einen neuen Anlauf durch die Normierungsgremien nehmen (Start im November, fertig in 2018 …?). So müssen wir weiterhin Kröten individueller Interpretationen des europäischen E-Rechnungs-Standards in Kauf nehmen. Und der Konflikt zwischen ZUGFeRD-Fraktion und öffentlicher Verwaltung in Deutschland ist längst nicht ausgestanden.
Elektronische Rechnung in Deutschland
Das Wirrwarr scheint perfekt – ZUGFeRD, Factur-X, XRechnung, EU EN 16931 usw. Es wird viel diskutiert. Die E-Rechnungsverordnung des Bundes schafft zumindest für die öffentliche Verwaltung Klarheit: grundsätzliche Verpflichtung für Lieferanten zur Einbringung elektronischer Rechnungen gemäß EU-Norm, verpflichtende Inhaltselemente in Ergänzung zu § 14 UStG, unter anderem eine „Leitweg-ID“ zur eindeutigen Adressierung (zusätzlich zur EU-Norm EN16931 und den CEN-Standards) sowie die Nutzung eines Verwaltungsportals durch Rechnungssteller und Rechnungsempfänger. Seit dem die eRechnungsverordnung des Bundes veröffentlicht wurde, ist die xRechnung auf dem Durchmarsch und das hybride ZUGFeRD-Format gerät zunehmend ins Hintertreffen. Das jahrelange “Klein-Klein” beim Vermarkten von ZUGFeRD ist hieran nicht unschuldig. Auch der Vorstoß zusammen mit den Franzosen per Factur-X dem deutschen ZUGFeRD zu internationalerem Charakter langt nicht, da hier die Pferde längst in verschiedene Richtungen galoppieren.
Die elektronische Rechnung in Deutschland:
Königin aller Dokumente oder mißbrauchtes Kind von Marketiers?
Ein paar Quellen: