Elektronisches Dokumentenmanagement im Mittelstand
8. Oktober 2012 06:30 Uhr | PC_admin | Permalink
[ursprünglich als Beitrag in den “XING-Themen” am 21.11.2012, 17:42 gepostet. Die XING-Themen wurden eingestellt und der Beitrag nebst Kommentaren dort gelöscht]
Elektronische Dokumente sind aus unserem geschäftlichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Kommunikation erfolgt per E-Mail oder Message, Dokumente werden elektronisch in Textverarbeitungssystemen geboren und sind unter Umständen nicht mehr für eine Repräsentation in Papier geeignet. Das elektronische Original gewinnt auch im rechtlichen Umfeld an Bedeutung wie jüngste Initiativen der öffentlichen Hand zeigen. Dennoch gehen wir häufig immer noch sträflich mit den elektronischen Informationsobjekten um, schieben sie irgendwo ins Dateiverzeichnis, lassen sich im elektronischen Postkorb nach unten wegsacken. Standardsoftware für die Kommunikation wie auch für ERP, CRM, PLM, usw. fördern noch den Medienbruch – zusätzlich zum Papier gilt es hier in verschiedensten Ablagen den Speicherort der Information zu kennen. Die Probleme sind durch neue Medien, mobile Kommunikation, noch bestehenden Medienbruch mit Papier, Web 2.0 mit neuen Formaten und soziale Medien mit geschlossenen Kommunikationsbereichen gewachsen. Genau hier setzt das elektronische Dokumentenmanagement an. Es gilt Ordnung in die Informationsbestände zu bringen und die Information nutzbringend als Wissen und in Prozessen nutzen zu können. Die Technologien hierfür gibt es seit über 20 Jahren – beginnende mit der elektronischen Archivierung über das klassische Dokumentenmanagement hin zum ECM Enterprise Content Management. Die Techniken sind matur, aber die Nutzung erfordert in der Organisation Veränderungen und beim Anwender ist Disziplin die wichtigste Voraussetzung.
Der Mittelstand ist im Vorteil
Zugegeben, Dokumentenmanagement ist vielfach noch sehr komplex, aufwändig in der Nutzung, langwierig in der Einführung. Die Einführung einer Lösung gleich welcher Ausprägung erfordert Anpassungen an Infrastruktur, Abläufen und Arbeitsorganisation. Dokumentenmanagement schien daher immer eine teure, aufwendige Angelegenheit nur für Großunternehmen. Dies hat sich geändert. Software für das Dokumentenmanagement ist erschwinglich geworden und Produkte wie Microsoft Sharepoint haben den Bekanntheitsgrad wie auch die Akzeptanz gesteigert.
Im Prinzip sind mittelständische Unternehmen sogar im Vorteil gegenüber den großen Konzernen. Hier hat man eher auf Grund der Größe und Überschaubarkeit wirklich eine unternehmensweite Lösung relativ kurzfristig einzuführen. Wo in großen Firmen man sich von einer Insellösung zur nächsten „hangelt“ kann man beim Mittelständler auf Basis einer Suite mit der notwendigen Funktionalität eine durchgängige Lösung schaffen, die alle Bereiche abdeckt und allen Mitarbeitern zu Gute kommt. ECM Enterprise Content Management im Sinne eines unternehmensweiten Einsatzes findet man daher im Mittelstand eher als in einem Konzern.
Entscheidend ist jedoch, wie gut das mittelständische Unternehmen auf den notwendigen Wandel eingerichtet ist. Der Einsatz von Dokumentenmanagement selbst ist nämlich keine Frage des „Ob“ mehr sondern nur noch des „Wie“ und „Wann“. Zeigt sich besonders dort, wo der Mittelständler in eine „Supply Chain“, eine Lieferkette mit anderen Unternehmen eingebunden ist. Hier kommen Aufträge, Pläne, Spezifikationen und Reklamationen längst nur noch elektronisch an. Ausdrucken hilft hier nicht, weil es sich um elektronische Originale handelt die man auch recherchieren und weiterverarbeiten können muss. Aber auch wo diese Abhängigkeit von den Systemen oder Vorgaben der Geschäftspartner fehlen, geht ohne elektronische Kommunikation und ohne elektronische Verwaltung der Information nichts mehr. In Abhängigkeit der verschiedenen Tätigkeiten im Unternehmen gibt es hier auch unterschiedliche Szenarien für den Einsatz von Dokumentenmanagement.
Zwischen Verwaltung, Produktion und Service
Die Vielfalt von Geschäftstätigkeiten im Mittelstand ist unermesslich – dennoch gibt es Bereiche, wo alle aus geschäftlichen und gesetzlichen Gründen ähnliche Prozesse und ähnliche Dokumente haben. Besonders deutlich wird dies bei den kaufmännischen aufbewahrungspflichtigen Daten und Dokumenten. Rechnungen können elektronische (und ohne elektronische Signatur versendet werden) – und genauso muss man auch auf den Empfang elektronische Rechnungen eingerichtet sein. Papierrechnungen werden gescannt und elektronische verarbeitet, damit die Daten gleich in Finanzbuchhaltungssystemen verarbeitet werden können. Die Daten aus elektronischen und papiernen Rechnungen werden mit der gleichen Akkuratesse verarbeitet und müssen natürlich für eigene Zwecke und die Steuerprüfung elektronisch auswertbar vorgehalten werden. Ähnlich sieht es mit den anderen kaufmännischen Dokumenten und Handelsbriefen aus, die elektronisch empfangen wurden oder durch Scannen in das Systeme überführt wurden. Hier spielt die Übermittlung durch E-Mail und Download eine immer wichtigere Rolle. Und natürlich müssen auch diese elektronischen Dokumente geordnet aufbewahrt werden. Für den gesamten kaufmännischen und administrativen Bereich gibt es genügend Anlass sich mit einer einheitlichen Dokumentenmanagement- und Archivierungslösung zu befassen, denn alle Informationen sollten im Zusammenhang, in den Geschäftsprozessen übergreifend nutzbar sein. Insellösungen machen hier keinen Sinn. Wenn man sich schon die kaufmännischen und steuerlichen Daten und Dokumente erschließt kann man auf der gleichen Plattform auch sein E-Mail-Management, die elektronischen Akten für Personal, Kunden, Lieferanten, Verträge, Produkte usw., die Werbeunterlagen, den Freigabeprozesse für Rechnungen, das Qualitätsmanagement, das Projektmanagement etc. implementieren. Gerade das E-Mail-Management (und nicht die reine E-Mail-Archivierung) ist eine durchgängige Lösung, die alle Mitarbeiter im Unternehmen tangiert. Virtuelle Akten stellen Sichten auf zusammengehörige Daten und Dokumente dar. Sie sind bei geeigneter Auslegung für viele Anwendungszwecke einfach zu adaptieren. Jede weitere Nutzungsvariante steigert den Nutzen für die Grundinvestition für eine Dokumentenmanagementsystem mit Workflow und Archivierung.
In den anderen geschäftlichen Tätigkeitsfeldern des Unternehmens sind gegebenenfalls weitere oder andere Lösungen für das Dokumentenmanagement notwendig. Wer „virtuelle Güter“ wie Dienstleistungen anbietet, kommt häufig mit den gleichen Systemen zurecht, die auch der kaufmännische und administrative Bereich nutzt. Anders sieht dies bei Unternehmen mit multimedialen Leistungen aus, die z.B. ein Digital Asset Management als Ergänzung benötigen. Ingenieurfirmen und industrielle Hersteller brauchen zusätzliche Funktionalität für die technische Dokumentation, Pläne, Zeichnungen und Modelle. Andere Firmen arbeiten mit geografischen Informationssystemen und benötigen hier Funktionalität, die im Standard ECM in der Regel nicht vorhanden ist. Maßgabe trotz aller individuellen Anforderungen sollte aber sein, dass zumindest die Archivierungsinfrastruktur und die Metadaten für die Identifzierung der Objekte einheitlich für alle Anwendungen im Unternehmen sind. Dann lassen sich auch die kaufmännischen, administrativen und fachlichen Informationen kombinieren und damit neue Dienstleistungen kreieren.
Selbst betreiben oder Auslagern?
„On premise“ inhouse oder outsourcen, in die Cloud? Dies sind, Fragen, die für die Kosten und die Sicherheit gerade im Mittelstand beim Thema Dokumentenmanagement diskutiert werden. Aber auch hier gibt es zahlreiche Varianten und „Grautöne“ so dass die ultimative einheitliche Empfehlung für alle nicht möglich ist. Betrachtet man zunächst die traditionelle Inhouse-Variante, bei der das Dokumentenmanagement auf einer eigenen Infrastruktur im Unternehmen betrieben wird. Hier sind die meisten DMS- und ECM-Produkte angesiedelt, als Client-Server-System, Host-basiert oder auch schon als Web-Service. Neben diesen klassischen auf Dokumentenmanagement spezialisierten Produkten gibt es zwei weitere Inhouse-Ansätze – die Ergänzung des führenden Softwaresystems, z.B. ein ERP oder CRM, mit Dokumentenmanagement und Archivierungs¬modulen. Hier tritt das DMS nicht als eigenständige Lösung in Erscheinung. Noch mehr verbreitet sich inzwischen der Ansatz mittels Sharepoint E-Mail, Dokumentenablagen und Portalfunktionalität umzusetzen. Viele mittelständische Unternehmen benötigen gar kein spezialisiertes DMS, da die Funktionalität eines Sharepoint ergänzt um Scannen und Archivieren vielfach schon ausreichend ist. So gibt es inzwischen auch schon ECM-Lösungen, die vollständig auf den Microsoft Sharepoint aufsetzen. Aber offenbar ist gerade bei kleineren Mittelständlern hier noch „Luft“, so dass es zahlreiche intuitiver und einfacher nutzbare Dokumentenmanagement-Alternativen im unteren Marktsegment gibt. Für all diese Lösungen im eigenen Haus muss natürlich langfristig Betrieb und Verfügbarkeit sichergestellt werden. Dieser Aufwand führte schon inder Vergangenheit dazu, dass man die Lösung an einen Outsourcing-Partner abgab, der den Betrieb sicherstellte. Auch SaaS, Software as a Service ist nicht so neu wie man denkt. Auch hier gab es schon immer Branchenlösungen – auch mit Dokumentenmanagement ergänzt – die man von einem Rechenzentrumsdienstleister einfach nutzte. So gesehen ist der Schritt, Dokumentenmanagement in der Cloud zu nutzen, gar nicht so weit. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Angeboten wie Archivierung, E-Mail-Archivierung, Collaboration, Projektmanaghement, Sharepoint mit Office365 und andere, die einzelne Funktionsgruppen des Dokumentenmanagements als Service bereitstellen. Darüber hinaus kann man natürlich auch die eigene „Inhouse“-Lösung in die Cloud verlagern und dort auf einer Cloud IaaS Infrastruktur oder PaaS Plattform betreiben. Auch hier gibnt es nicht das „einheitliche“ Cloud-Angebot. Angefangen von den Varianten der Private bis zur Public Cloud und über Platform, Infrastruktur oder Software as a Service gibt es ein große Bandbreite. Dabei funktioniert auch Dokumentenmanagement in der Cloud sehr gut, wenn alle Funktionen komplett in der Wolke sind. Problematisch wird es immer dann, wenn man „Inhouse“-Systeme mit der Cloud-Lösung verbinden muss, also synchronisieren, deduplizieren, Prozesse verteilt abarbeiten usw. will. Deshalb sind die Cloud-Angebote auch sehr spezialisiert. Bei reiner Dokumentenablage oder Archivierung funktioniert auch die Nutzung über Clienten im Unternehmen, das Web und die App für mobile Geräte. Je komplizierter die Anwendung und je mehr Schnittstellen in andere Systeme, desto schwieriger wird das Cloud-System, das ja als Service in „unbekannten Umgebungen“ sicher laufen muss. Der Individualisierung und Anpassung sind hier also Grenzen gesetzt. Ganz abgesehen davon, dass wir in Deutschland immer noch die Diskussion führen, wie sicher denn die Cloud ist.
Dokumentenmanagement ist ein Muss!
Betrachtet man all diese Optionen und Varianten wird deutlich, dass Entscheidungen für die Wahl eines Dokumentenmanagement-Produktes über die Jahre nicht einfacher geworden ist. Aber die Systeme sind einfacher zu nutzen und installieren – und sie sind pro Arbeitsplatz deutlich günstiger geworden. Daher gibt es keinen Grund für den Mittelstand nicht auf das Thema Dokumentenmanagement zu setzen. Ohne den Einsatz von Dokumentenmanagement ist die Wettbewerbsfähigkeit heute bedroht. Der Einsatz von Dokumentenmanagement ist längst zur Existenzfrage geworden. Die Erschließung d es Wissens im Zeitalter des demographischen Wandels, die mobile Kommunikation, die Automatisierung von Büro und Produktion, die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten, die Wiedernutzung von vorhandenen Inhalten, das Durchsetzen von Qualitätsstandards und nicht zuletzt elektronische Geschäftsprozesse zwingen heute jedes Unternehmen auf elektronische Kommunikation und Informationsverarbeitung.
Kommentar von Andreas Steffan am 25.11.2012, 18:02
Hallo Herr Kampfmeyer,
sie weisen (fairerweise 😉 darauf hin, dass elektronisches Dokumenten-Management komplex ist. Ich persönlich finde aber, dass beim Lesen der Eindruck entsteht auch kleine Mittelständler können und müssen das Thema jetzt angehen und wuppen. Klar, Lizenzkosten müssen heute kein Hemmschuh mehr sein, aber Kosten für Dienstleitungen Beratung, Implementierung und Betrieb können durchaus noch erheblich sein – daran hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert. Darüber sollten sich Mittelständler im Klaren sein. Eine vermeintlich kleine Disziplin wie Revisionssicherheit allein kann einen schnell erschlagen.
PS: Ansonsten natürlich eine schöne Einführung wo und wie elektronisches DMS Sinn machen kann.
Gruß
Andreas Steffan
Kommentar von Detlev Mages am 26.11.2012, 16:32
Mmmmh, weil etwas komplex ist, soll ich mich als Mittelständler besser raushalten?
Ich meine, nicht weniger komplex sind 80 unterschiedliche Versionen einer Exceldatei in 150 Benutzerordnern, von der keiner mehr weiß, welche noch Relevanz hat, welche Version "in the wild", also beim Kunden ist, usw.!
Das Problem ist weder die, tatsächlich vorhande, Komplexität, noch ist es die Investition einschließlich der Folgekosten (bei konsequenter Einführung ist der ROI phantastisch!).
Die Probleme sind:
Immer wenn man in Informations-/Wissensprojekte einsteigt, trifft man auf diese Widerstände!
Als Vertreter der Anwenderseite und IT-Leiter wünsche ich mir Anbieter, die nicht mit vor Stolz geschwellter Brust die Komplexität ihrer Produkte gegen die Komplextität der Aufgabe aufrechnen und damit das Projekt auf den Sanktnimmerleinstag verschieben helfen!
Sondern die einfach verständliche, gut strukturierte Lösungspfade aufzeigen und vor Allem helfen, die Widerstande zu adressieren!!
Die komplexe Technik dahinter interessiert vielleicht den Admin, aber nicht die Entscheider!
P.S. Der Hinweis auf Revisionssicherheit ist eher ein PRO für so ein Projekt!
Kommentar von Andreas Steffan am 27.11.2012, 9:40
Nein, ich meine nicht dass der Mittelständler sich aufgrund von Komplexität heraushalten sollte (Wenn man ein Projekt macht geht das ohne den Kunden sowieso nicht ;). Der Einsteiger sollte aber auf keinen Fall den Eindruck bekommen alles sei einfach und günstig. Ich bin absolut überzeugt davon, dass die Mehrheit der Mittelständler welche das Thema im Rahmen eines Projektes angegangen sind, am Ende eher enttäuscht waren.
Kommentar von Julia Talaron am 28.11.2012, 10:05
Hallo,
Herr Mages schrieb:
Die Probleme sind:
– die Weigerung der meisten Beteiligten, so ein Projekt konsequent umzusetzen.
– Zu zu geben, das die sogenannten unstrukturierten Daten längst jedem Kontrollversuch "entwachsen" sind und
– das vermeintlich unersetzlich machende "Herrschaftswissen" zu teilen!
Genau dies sind die Probleme, auf die auch wir als Unternehmen immer wieder stoßen. Ein sehr interessanter Beitrag.
Gerade zur Weigerung der Beteiligten, das Projekt konsequent umzusetzen und "Herrschaftswissen" zu teilen hat die cerebrix GmbH Lösungsansätze gefunden, die sich in der Praxis bewährt haben. Durch eine ganzheitliche Herangehensweise können diese Hindernisse für eine erfolgreiche, unternehmensweite Zusammenarbeit aus dem Weg geschafft werden.
Doch genau dies führt zu der von Herrn Steffan angesprochenen Problemstellung, dass eben auch Kosten für Dienstleistung, Beratung und Implementierung entstehen, die einfach mit bedacht werden müssen. DMS ist eben kein reines IT-Thema, denn ohne die Akzeptanz des Mitarbeiters hat die schönste Software keinen Nutzen.
Gruß
Julia Talaron
Kommentar von Andreas Steffan am 28.11.2012, 18:59
Hallo,
aus meiner Sicht sind DMS Projekte von Natur aus erstmal IT Projekte wie alle anderen. Probleme mit Kopfmonopolen aller Art gibt es wo immer jemand seinen Arbeitsplatz sichern will indem er seine Arbeit verschleiert. Halbwegs modernes Projekt-Vorgehen (wie Scrum oder Agile allgemein) sind genau mit dem Ziel dieses und die anderen Top-Probleme ( http://www.it-cortex.com/Stat_Failure_Cause.htm ) in IT Projekten zu minimieren entwickelt wurden und funktionieren richtig umgesetzt auch besser als Old-School Wasserfall-, V-Modell oder was auch immer. Es kommt sicher nicht von Ungefähr, dass die Top IT-Companies dieser Welt diese Prozesse flächendeckend einsetzen.
Wenn DMS Projekte ein spezielles Vorgehen sinnvoll machen wäre ich dankbar, wenn jemand das mal kurz erklären könnte.
Gruß
Andreas Steffan
Kommentar von Dr. Ulrich Kampffmeyer am 30.11.2012, 11:17
@ Detlev Mages
@ Julia Taleron
Effiziente Nutzung von elektronischem Dokumentenmanagement erfordert bei noch in "Papier-Dimensionen" denkenden Organisationen tiefgreifende Veränderungen. Diese lassen sich nicht pauschal fassen, da die Form, die aktuellen Arbeitsprozesse, die kommunikative und soziale Interaktion, der Aufbau und die Unternehmenskultur von sehr vielen Faktoren abhängen und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind. Deshalb sind auch Vergleiche innerhalb einer Branche zwischen direkten, gleichgroßen und nach außen hin gleich arbeitenden Marktbegleitern nicht 1:1 von dem Einen auf den Anderen übertragbar.
Dokumentenmanagement-Projekte sind vorrangig Organisationsprojekte und daher fallen auch die größten Aufwände im organisatorischen Umfeld an. Viele davon sind sogenannte "Eh-da"-Kosten", besonders beim Personal. Für jedes Projekt ist meines Erachtens daher nicht nur zu prüfen, was durch DMS besser wird oder welche Risiken man bei der Einführung eingeht sondern auch zu evaluieren, was passiert, wenn man nicht konsequent auf elektronische Kommunikation und elektronisches Informationsmanagement setzt. Der Einsatz kann über die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Zukunft des Unternehmens entscheiden.
Auch und gerade im Mittelstand, weil hier noch mehr Nachholbedarf besteht und wer vorne dran ist, hat bessere Chancen schneller, effizienter und kundenfreundlicher Dienstleistungen und Produkte an den Markt zu bringen. Dokumentenmanagement ist hier ein wesentlicher Bausein im Informationsmanagement, da es hilft, den Medienbruch zu überwinden und Informationen komfortabel unabhängig von Zeit, Ort, Medium, Device und Erzeuger im Sachzusammenhang bereitzustellen.
Kommentar von Dr. Ulrich Kampffmeyer am 28.11.2012, 19:18
Ein paar Antworten …
(1) Dokumentenmanagement muss nicht komplex sein. Einfachere Systeme für Mittelständler (vom kleinen bis gehobenen) , die Dokumentenmanagement-Grundfunktionalität bieten, sind auch einfach zu installieren, einfach zu betreiben oder vermehrt einfach aus der Cloud nutzbar.
(2) Gewinnen im Kampf um den Kunden im Mittelstand werden diejenigen Anbieter, die Branchen- und Fachlösungen anbieten, die entweder fertig vorkonfiguriert und einfachst anpassbar sind, oder aber in die fachliche Definitionen, Ordnungsschema usw. einfach per Import hineingeladen werden können.
(3) Dokumentenmanagement-Projekte sind vor allem Organisationsprojekte. Organisatorische Veränderungen lassen sich in einer kleineren, übersichtlicheren, persönlicheren Organisation einfacher, schneller und mit geringerer Komplexität als in einem Großunternehmen umsetzen. Technik kann nur unterstützen und die meisten ECM-Produkte sind matur in Bezug auf Funktionalität und Stabilität.
(4) In Bezug auf den Einsatz von Methoden, gerade beim Projektmanagement und bei den Strategien zur Einführung von Dokumenten-Management-Lösungen, muss der Grundsatz der Angemessenheit gelten – und nicht "Methode um der Methode willen". Ein Projektplan ebenso wie das Controlling-Werkzeug kann auch eine simple Spreadsheet-Tabelle sein. Projekte müssen nicht per se immer "groß" sein.
(5) Bei der Planung kommt es darauf an, dass eine passende Lösung gewählt wird und dass man nicht versucht Probleme mit Dokumenten-Management-Software lösen zu wollen, die keine Dokumenten-Management-Probleme sind.
Kommentar von Andreas Steffan am 29.11.2012, 12:47
Natürlich gibt es keine "one size fits all" Methode für IT Projekte und das Vorgehen sollte zum jeweiligen Projekt und zum Kunden passen. Der Löwenanteil von IT Projekten liegt aber eben einfach in der Komfort-Zone (s. Stacey Matrix) der agilen Methoden.
Kommentar von Dr. Ulrich Kampffmeyer am 30.11.2012, 10:55
@ Andreas Stefan
> Wenn DMS Projekte ein spezielles Vorgehen sinnvoll
> machen wäre ich dankbar, wenn jemand das mal
> kurz erklären könnte.
Dokumentenmanagement-Projekte sind in vielfacher Hinsicht "etwas" anders als "normale" IT-Projekte. Dies ist z.B. auch grundsätzliche Veränderungen in den Prozessen (Wegnahme des gewohnten Papierordners als Arbeitsmittel), Business Process Management (Steuerung, Kontrolle und Auswertung von Arbeitsprozessen und Compliance-Anforderungen), langfristige Bindung an elektronische Medien bei der Archivierung (und natürlich an Anbieter und Produkte) und viele andere Faktoren. Innerhalb der Dokumentenmanagement-Branche ist dies bekannt, wird aber häufig in der Vorbereitungsphase für Projekte vernachlässigt.
Speziell für Organisations-(und IT)-Projekte dieser Art kann man gut auf die offene Mike2-Methodik zurückgreifen (openmethodology.org), die auch zum Beispiel in Dokumentenmanagement-Zertifizierungs-Lehrgängen der AIIM international als Basis verwendet wird. Für die Vorbereitung und Zielfindung kann z.B. "Dragon Dreaming" geeignet sein.
Wichtiger noch als das Projektmanagement in Dokumentenmanagement-Projekten ist das Change Management. Projektmanagement unterstützt eher operativ beim Durchführen, Change Management unterstützt den erforderlichen Wandel in der Organisation. Daher ist die bessere Interpretation des Akronyms ECM auch Enterprise CHANGE Management.
Kommentar von Andreas Steffan am 30.11.2012, 13:23
@Dr. Ulrich Kampffmeyer
Ich glaube man muss in Bezug auf Methoden erwähnen auf welchem Korn man unterwegs ist. MIKE2 ist vermutlich das gröbste Korn mit viel größerem Scope als technische Realisierung. Insofern müssen sich Vorgehensweisen nicht zwangsweise ausschließen.
Meine persönliche Erfahrung – speziell mit Mittelständlern ist, dass hier einfach gerne mal schnell top-down losgelegt wird ohne sich vorher "ganz große" Gedanken zu machen, s.d. man schnell ein Gefühl bekommt wie es sich in der Praxis anfühlt.
Ihre Kunden sind wahrscheinlich eher solche die sich der Materie bottom-up nähern und ganz anders motiviert sind.
Der eine Kunde will vielleicht eben nur den ausgeuferten File-Server mit etwas Mächtigerem ersetzen, der andere will gleich das ganze papierlose Büro.
Kommentar von Uwe Küll am 30.11.2012, 12:50
@ Dr. Ulrich Kampffmeyer
Zunächst mal freue ich mich,den spannenden Artikel hier nochmal in der Lang-Version veröffentlicht und diskutiert zu sehen. Sodann natürlich über die Tatsache, dass es hauptsächlich um die Punkte geht, die auch in der von mir für die Print-Veröffentlichung in COMPUTERWOCHE Mittelstand gekürzten Fassung enthalten sind. Anscheinend waren die – mit blutendem Herzen vorgenommenen – Kürzungen themen- und zielgurppengerecht. 😉
Folgender Punkt ist mit in Ihrem letzten Kommentar noch aufgefallen:
"Effiziente Nutzung von elektronischem Dokumentenmanagement erfordert bei noch in "Papier-Dimensionen" denkenden Organisationen tiefgreifende Veränderungen."
Ich würde einen Schritt weitergehen und behaupten, dass die Hauptschwierigkeit in den meisten Fällen – völlg unabhängig von der Unternehmensgröße – darin besteht, Organisationen zum Denken zu bringen, statt sie nur das, "was man schwarz auf weiß besitzt", verwalten zu lassen.
Kommentar von Dr. Ulrich Kampffmeyer am 30.11.2012, 13:03
@ Uwe Küll
Merci 🙂
Ohne Denken – und ohne Nachdenken – gehen Veränderungen sowieso nicht.
Hier noch mal der Link auf den ursprünglichen Beitrag in der ComputerWoche Mittelstand vom 5.11.2012: http://bit.ly/SaL9zO
Und hier gibt es bei uns auf der Webseite auch noch eine kleine Zusammenfassung der Diskussion: http://bit.ly/118QeMr
Bis zur nächsten Kürzungsaktion dann 🙂
Kommentar von Michael Nowarra am 02.12.2012, 14:27
Guten Tag zusammen, ich bin etwas spät eingestiegen, sodass ich nicht auf die einzelnen Beiträge eingehen möchte. Allesamt haben sie aber interessante und wichtige Aspekte enthalten.
Ich bin kein DMS-Spezialist, habe aber als Berater (auch im Umfeld von DMS) und Betroffener ("alles ist Dokument") die Erfahrung gemacht, dass sich eine zu Ihrer Welt parallele aufgetan hat.
In dieser Welt …
… geht es um schnelle Lösungen für spezielle Anwendungsbereiche (M&A, Projektdokumente, Messeplanung, komplexe Angebote..),
… geht es um Teamarbeit, wobei die Anzahl der Teams hoch sein wird, die Teammitglieder laufend wechseln,
… geht lokale Wertschöpfung vor – Plattform-Diskussionen hat man "einfach über" in den Fachabteilungen
… betrachtet man die IT als Hemmschuh (wenn es darum geht, Anforderungen schnell, zumindest zügig umzusetzen) – übrigens ist mir das laufend in der Diskussion zwischen FA und IT begegnet, wenn die IT Sharepoint durchdrücken wollte!
Ich behaupte nicht, dass DMS wie Sie es diskutieren, seine Bedeutung hat. Ich sehe aber eben auch diese andere Welt, wo Geschwindigkeit, Flexibilität, agieren über Firmengrenzen hinweg wichtiger ist als andere Dinge.
Beste Grüße
Michael Nowarra
Kommentar von Detlev Mages am 04.12.2012, 10:52
Insgesamt viele interessante Aspekte, einem möchte ich jedoch vehemnt widersprechen:
Weder DMS/ECM-Projekte noch viele andere (Lagerverwaltungssysteme, CRM, ERP, etc) sind IT-Projekte!
Natürlich wird die IT gebraucht, vielfach auch als Projekttreiber. Nichts desto trotz ist ECM/DMS ein Organistionsprojekt, ein Lagerverwaltungssystem ein Logistikprojekt, etc.
Ein Teil der Probleme in diesen Projekten, und beleibe nicht nur im Mittelstand, resultiert in der Tatsache, das nach kurzer "Enthusiasmus-Phase" die Projekte als "reine" IT-Projekte betrachtet werden…
Kommentar von Michael Nowarra am 04.12.2012, 16:53
@ Herr Mages: ich habe ja nur aufgezeigt, dass die Tendenz zunimmt, DMS-Themen ohne Mitwirkung der IT zu realisieren. Ein konkretes Beispiel aus einem meiner Projekte: die Fachabteilung wollte ein QM-System einführen (im weitesten Sinne eine Art DMS – auch mit entsprechender Funktionalität). Die IT-Abteilung wollte unbedingt Sharepoint als Standard durchsetzen/ausbauen. Endergebnis: die FA besorgte sich eine SaaS-QM-Lösung- -u.a. mit der Begründung, dass etwaige Anpassungen seitens der IT Monate dauern würden. Das Management unterstützte die Entscheidung der FA. Die widerstreitenden Interesse: IT mit Grundsatz-/Architektur- oder sonstigen eher philosophischen Fragen vs. Fachabteilung, die rechtlichen Compliance-Vorschriften umsetzen wollte.
BG
Michael Nowarra
Kommentar von Detlev Mages am 05.12.2012, 7:44
@ Herr Nowarra: Ich hatte meinen Kommentar nicht auf Ihre Ausführungen bezogen, hatte nur leider den Bezug zu posten vergessen.
Herr Steffan schrieb: "aus meiner Sicht sind DMS Projekte von Natur aus erstmal IT Projekte wie alle anderen."
Kommentar von Andreas Steffanam 28.11.2012, 18:59
Dem habe ich vehement widersprochen :-)!
Kommentar von Dr. Ulrich Kampffmeyer am 05.12.2012, 10:30
@ alle, die hier über IT und Projektmanagement philosophieren – mein Grundsatz für die Planung und Einführung von elektronischem Dokumentenmanagement aus dem Jahr 1992:
"Strategie vor Organisation,
Mensch und Organisation vor Technik"!
Dies gilt nicht nur aber auch für Vorhaben im Mittelstand – wie immer man auch Mittelstand in Deutschland definieren will.
Kommentar von Michael Nowarra am 06.12.2012, 10:54
@ Herr Mages: alles klar! Danke.
@ alle: den Grundsatz, den Herr Kampffmeyer zitierte, möchte ich doch noch um den eigentliche wichtigen Aspekt "wozu überhaupt?" ergänzen: Wertschöpfung vor Strategie.
Um noch einmal auf die IT zurück zu kommen: die (wir?) müssen lernen, in Wertschöpfungsketten zu denken. Was sich bspw. mit SaaS geändert hat, ist die Geschwindigkeit mit der Wertschöpfungsketten aufgebrochen und neu zusammengefügt werden können. Viele Anwender haben das schon erkannt.
Beste Grüße aus dem verschneiten Berlin und Ihnen allen einen "gedachten Nikolaus"!
Michael Nowarra
Kommentar von Dr. Ulrich Kampffmeyer am 07.12.2012, 9:48
@ Nowarra
> Wertschöpfung vor Strategie ?
Nein!
Die Überlegungen zur Wertschöpfung sind immer Bestandteil der Strategie!
Wertschöpfung grundsätzlich vor die Strategie stellen zu wollen ist nicht richtig (und nicht nötig, da Bestandteil der strategischen Überlegungen):
(1) Wertschöpfung allein ist nicht immer das Ziel von Dokumentenmanagement, wenn man z.B. an Risiko-Vermeidung, Compliance etc, denkt, wo Wertschöpfung nicht immer der primäre Anlass ist.
(2) Wenn wir den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen, kann Wertschöpfung im kommerziellen Sinne nicht das alleinige Ziel sein.
Aus diesen beiden Gründen gilt es zunächst einmal im Rahmen der strategischen Betrachtung den Wert zu definieren.
Kommentar von Michael Nowarra am 07.12.2012, 17:03
@ Herr Kampffmeyer
Vielleicht sollte ich mich präziser ausdrücken: unternehmerische Wertschöpfung vor IT-/Produktstrategie. Wenn Sie Unternehmensstrategie meinen, bin ich bei Ihnen. Ich hatte aber die IT-Seite im Hinterkopf. Fragen der IT-Strategie vs. Wertschöpfung des Unternehmens. Klassiker: Fachabteilung benötigt eine Lösung und IT verweigert sich, weil diese Lösung nicht in die IT-Strategie passt. Wer hat nun recht? Ich bin tendenziell auf der Seite der Fachabteilung – denn IT ist eine Service-Abteilung.
BG Michael Nowarra
Kommentar von Dr. Ulrich Kampffmeyer am 07.12.2012, 18:02
@ Michael Nowarra
Man sollte nie die IT als erstes im Kopf haben – sie ist ein Hilfsmittel. Wenn ich 1992 "Strategie vor Organisation" geschrieben habe, meine ich selbstverständlich Strategie generell und nicht nur eingeschränkt "IT-Strategie". Im Übrigen ging es ursprünglich im Beitrag und in der Diskussion um das Thema "elektronisches Dokumentenmanagement im Mittelstand" … 🙂
Einen frohen Advent!
Kommentar von Michael Nowarra am 10.12.2012, 8:16
Hallo Herr Kampffmeyer,
da sind wir uns ja einig! Um auch meinerseits auf das Ursprungsthema zurück zu kommen: Ein guter Artikel im Focus Online! Es wird zwar von Social Collaboration im weitesten Sinne geschrieben, aber Dokumente stehen meiner Meinung nach im Mittelpunkt.
Zitat:
25 Prozent mehr Produktivität mit sozialen Techniken…
Rund 60 Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden die hochbezahlten „Knowledge Worker“ für das Lesen und Schreiben von E-Mails, die Suche nach Informationen und die interne Kommunikation. Soziale Techniken können diese Zeit um 25 Prozent senken.
„Unternehmen werden weiterhin Wege entwickeln, um mit sozialen Techniken Kunden zu erreichen und Insights für die Produktentwicklung, das Marketing und den Kundenservice zu gewinnen. Aber ein doppelt so großes Potenzial liegt in der Anwendung sozialer Tools für die interne Kommunikation, das Teilen von Wissen und die Collaboration innerhalb und zwischen Unternehmen“, schreibt das McKinsey Global Institute in seinem jüngsten Bericht „The social economy: Unlocking value and productivity through social technologies“.
…
Knowledge Worker: 25 Prozent mehr Produktivität mit sozialen Techniken – weiter lesen auf FOCUS Online:http://www.focus.de/digital/internet/netzoekonomie-blog/social-media-wissensarbeiter-koennen-25-proz…
Rettung aus den abgeschalteten XING-Themen
Die "XING Themen" waren ein Versuch der Community-Plattform XING, neben den Gruppen einen weiteren Informationskanal mit Fachbeiträgen zu eröffnen. Ein besserer Editor, mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Tagging boten Vorteile gegenüber Gruppenbeiträgen. Das Konzept stand jedoch in direkter Konkurrenz zu den Gruppen, wurde schnell durch Werbung und Event-Ankündigungen überfrachtet, und letztlich nicht angenommen. Die Links zu den Beiträgen existieren noch in Suchmaschinen und im Web – führen aber ins Leere. Gewünscht hätten wir uns, dass die Funktionalität der XING-Themen nahtlos in die Gruppen überführt worden wäre. Dabei hätte man durch Umindizierung auch die Themen-Beiträge nebst den Kommentaren überführen können (zumindest haben wir damals vor 10 Jahren solche DInge bei openBC gemacht). Jedoch setzt XING im Herbst 2013 die Schwerpunkte anders – es gilt die Positionierung als "Karriere-Netzwerk" zu stärken.
Wir haben hier einmal einen unserer 53 Beiträge aus den XING-Themen mit allen Kommentaren "gerettet", d.h. nachgebildet – sozusagen als kleine "Reminiszens an das ursprüngliche Konzept. XING selbst hat einfach alles gelöscht. Unseres Erachtens ein fehlendes Bewußtsein für die historische Dimension des Web. Unser Beitrag beschäftigt sich mit den Chancen des Einsatzes von Dokumentenmanagement im Mittelstand.