Demografischer Wandel & Wissensmanagement
30. September 2012 14:10 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink
Der demografische Wandel kam über uns, völlig unerwartet, jetzt ist er mit einem Mal da. Das möchte man angesichts der Vielzahl von Nachrichten, Untersuchungen und Veranstaltungen der letzten Zeit fast annehmen. Rund ein Viertel aller Knowhow-Träger in den Unternehmen werden in Kürze in den Ruhestand entschwinden – wenn man denn den reinen Zahlen glaubt.
Ungeachtet des demografischen Wandels ist die Bewahrung und Erschließung von Information in Gestalt von Wissen eine offene Flanke in den meisten Unternehmen, Zum Wegfall des Wissens in den Köpfen der Mitarbeiter kommt zugleich eine Überflutung mit Informationen auf den verschiedensten Kanälen. Und so wird mit einem Mal das lang verdrängte, "anrüchige" Thema Wissensmanagement wieder aktuell.
Vor 10 Jahren war Knowledge Management "quasi totgeritten" worden. Der Anspruch gerade der europäischen Klientel ließ sich mit den damaligen Lösungen noch nicht befriedigen. Ähnliche Situationen hatte es auch in den 80er und 90er Jahren bereits einmal gegeben, als man versuchte mit "Expertensystemen" Wissen abzubilden und nutzbar zu machen. Warum soll nun alles besser und einfacher sein?
Zwei Dinge habe sich geändert: neue Technologien gerade im Social Media Bereich machen die Nutzung von Wissen einfacher. Zum Zweiten hat sich gerade durch Social Media die Bereitschaft erhöht, Informationen in Systeme einzugeben. Die Hürde der Akeptanz der Wissenserfassung und der Wissensweitergabe ist gesunken und zugleich sind die technischen Möglichkeiten der Erschließung besser geworden. Gute Vorasusetzungen für Wissensmanagement.
Natürlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass nur das "formalisierbare Wissen" in Systeme gebracht werden kann. Genaugenommen sprechen wir über "Information mit höherer Qualität und im Kontext" (nur um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen). Ergänzend zu strukturierten Daten in Fachanwendungen und Datenbanken sowie den unstrukturierten Informationen in E-Mail-Management, Dokumentenmanagement- und Archivsystemen bieten Werkzeuge aus dem Web-2.0-Umfeld wie Blogs, Wikis, Foren, Social Communities und andere, hervorragende Möglichkeiten "weiche Informationen" in Systemen erschließbar zu machen. Besonders durch die Nutzung von Sprache, Video und multimedialen Objekten werden die reinen Textinformationen lebendiger. Enterprise Search, Analytics, Verlinkungen und Semantik erhöhen den Wert der Informationen in dem sie Vertiefung und Kontext hinzufügen. Man kann solche Systeme auch "Wissensdatenbasen" oder "Knowledge Repositiories" nennen. Sie können heute mit Standardsoftware aufgebaut werden.
Der richtige Nutzen entsteht aber erst dann, wenn die weiche information, das Wissen, in die Systeme eingebracht wird, mit denen ständig gearbeitet wird. Im CRM zum Kundenkontakt die pasenden Hintergrundinformationen des vorangegangenen Keyaccounters, in Produktdesign die Tipps des ehemaligen Chefingenieurs, im Test der Fertigung die Zusammenstellung der bereits in der Vergangenheit gemachten Fehler, usw. Wissen muss integriert im sachlichen Zusammenhang nutzbar gemacht werden damit es WIssen wird und nicht nur Information bleibt. Es geht also nicht nur um das Recherchieren von Wissen sondern mehr noch um die situationsgerechte, aktive Bereitstellung.
Der konsequente und zielgerichtete Einsatz moderner Softwarewerkzeuge ist so ein nützliches Hilfsmittel um mit dem Wissensschwund beim demografischen Wandel fertigzuwerden. Und nicht nur dort – auch bei Versetzung im Unternehmen geht Wissen verloren, Wissen entsteht schneller als sich der Einzelne selbst aneignen kann und im Zeitalter der Informationsgesellschaft ist Wissen einer der wichtigsten Produktionsfaktoren überhaupt. Und Wissen veraltet schneller als in der Vergangenheit. Deshalb ist die Bewertung von WIssen, das ständige Überprüfen und das Aussondern veralteter, unrichtig gewordenen WIssens essentiell für die Qualität des Wissensmanagements. Es geht also nicht nur um die Systeme sondern weiterhin um den Menschen für die Erfassung, Bewertung und Nutzung des Wissens. Wissen von Menschen für Menschen mit Unterstützung von Software. Wenn man Software als Unterstützungswerkzeug begreift und entsprechend positioniert, hat Wissensmanagement wieder eine Chance ernstgenommen zu werden.
Den demografischen Wandel sollte man eher als Anlass nehmen sich generell wieder einmal mit dem Thema Wissensmanagement auseinanderzusetzen.