Elektronische Rechnungen in der EU

12. Juli 2019 08:52 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Zu unserer 200sten Ausgabe des PROJECT CONSULT Newsletter (erschienen am 30.6.2019; ISSN 1349-0809) hat unser Kollege Dr. Dietmar Weiß ein Kapitel aus seinem neuen Buch zum Thema Rechnungsverarbeitung (www.weiss-buch.combeigesteuert. Dabei geht es um die Effekte der elektronischen Rechnung in Europa, die z.B. laut einer Evaluierungsstudie der EU 1,1 Mrd €  Einsparungen in der EU bringen kann.

Elektronische Rechnungen in der EU – Fazit einer Erfolgsgeschichte und mögliche Weiterentwicklungen

Elektronische Rechnungen verzeichnen in Europa einen steigenden Anteil an der Gesamtmenge an Rechnungen. Im öffentlichen Bereich sind mittlerweile bestimmte Einrichtungen zum Empfang der elektronischen Rechnungen in X-Format verpflichtet. Dies wurde EU-weit mit EU-Richtlinie 2014/55/EU europaweit festgelegt.

Damit dies überhaupt möglich wurde, wurde 2006 als Grundvoraussetzung die EU-weite Vereinheitlichung der Rechnungen mittels EU Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (sogenannte „Mehrwertsteuersystemrichtlinie“) verabschiedet.

Damit waren verschiedene Zielsetzungen verbunden:

  1. Verringerung des Verwaltungsaufwandes für Unternehmen
  2. Verringerung von Mehrwertsteuerbetrug
  3. das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes
  4. Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)

Diese Zielsetzungen wurden von der EU in einer Untersuchung nun validiert und in einer Studie (ISBN ISBN 978-92-79-99298-8) veröffentlicht (https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/486f3631-2db1-11e9-8d04-01aa75ed71a1/language-de/format-PDF).

Die relevanten Ergebnisse und Empfehlungen werden im Folgenden zusammengefasst und mit einem Ausblick abgerundet:

Reduzierter Verwaltungsaufwand bei Unternehmen

Die Studie bestätigt, dass die Vereinheitlichung der Rechnungsstellungsregeln in der EU durch o. g. Richtlinie in nahezu allen Ländern umgesetzt und erreicht wurde. Der Gleichstellungsgrundsatz von e-Rechnungen gegenüber Papierrechnungen ist ebenso flächendeckend vorhanden, wie die Technologieneutralität bei den E-Rechnungsformaten.

Dies führte dazu, dass der Anteil der e-Rechnungen in den letzten Jahren deutlich anstieg. In 2017 wurden EU-weit ungefähr 18 Mrd. Rechnungen erstellt, wovon ca. 5 Mrd. e-Rechnungen waren. 60 % der e-Rechnungen lagen hierbei in unstrukturierten Formaten (z. B. pdf-Format) vor.

Der grenzüberschreitende Gebrauch von e-Rechnungen innerhalb der EU stieg seit der Mehrwertsteuer­systemrichtlinie erheblich an. Die EU beziffert die damit verbundenen Einsparungen im Zeitraum 2015 bis 2017 auf 920 Mio €.

Welche notwendigen Verbesserungen wurden festgestellt?

Neben den o.g. positiven Einsparungseffekten wurden bei der Evaluierung auch Verbesserungsmöglichkeiten festgestellt.

Es handelt sich dabei zunächst um begriffliche Inhalte:

  1. So ist die Definition der e-Rechnung nach Mehrwertsteuersystemrichtlinie etwas anders formuliert als in der neuen Richtlinie über die Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen.
  2. Zudem ist das elektronische Siegel nach eIDAS-Verordnung nicht in der EU-Richtlinie enthalten – denn eIDAS ist erst später verabschiedet worden.

Zum anderen wurde festgestellt, dass die Rechnungsprüfung im Unternehmen, also die Prüfung von Integrität und Authentizität der e-Rechnungen in der Richtlinie unzureichend definiert wurde. Deswegen wird von den Autoren empfohlen, die innerbetrieblichen Steuerungsverfahren zur Rechnungsprüfung zu aktualisieren und als „Prüfpfad“ für Unternehmen anzubieten. Man könnte dies als Empfehlung für einen „Referenzprozess der Eingangsrechnungsprüfung“ verstehen.

Weiterhin wird vorgeschlagen, dass die Kommission eine Unterscheidung in strukturierte und unstrukturierte Rechnungen vornehmen könnte, denn nur strukturierte e-Rechnungen erlauben eine „voll (oder quasivolle) Automatisierung des Rechnungsprozesses“. Interessanterweise wird in der Studie in diesem Zusammenhang explizit auf die E-Rechnungserfahrungen in Italien und die dortigen Erfahrungen hingewiesen. Diese Erkenntnisse sollten genutzt werden, bevor mittelfristig nur die strukturierte e-Rechnung als valides Dokument für den Vorsteueranspruch festgelegt werden könnte.

Etwas kritisch wird in der Studie der Trend beurteilt, dass im Zuge der Bekämpfung von Steuerhinterziehung eine zunehmende Zahl an Mitgliedsstaaten elektronische Berichtspflichten einführen, die einer Harmonisierung in der EU zuwiderlaufen.

Ebenso wurde festgestellt, dass sich die Komplexität und regulatorische Anforderungen hinsichtlich Archivierungsvorschriften für e-Rechnungen erhöhen. Als Lösung wird ein neuer Standard für europäische Cloud Services gesehen, in welchen e-Rechnungen in Übereinstimmung mit der MwSt-Richtlinie aufbewahrt werden könnten.

Angesichts der einheitlichen Rechnungsstellungsvorschriften in Europa zeigen sich die Studienverfasser sehr zufrieden mit dem Umsetzungserfolg der Richtlinie. Lediglich die Strafen bei Ungenauigkeiten, fehlenden Informationen oder Verspätungen sollten genauer und einheitlicher in der EU geregelt sein.

Last but not least untersuchte die Studie noch die Wirksamkeit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie hinsichtlich der Steuerkontrollaktivitäten. Eine Auswirkung in dieser Richtung konnte die Studie nicht feststellen. Mit Blick nach vorne sind weitere Anstrengungen notwendig und es wird auf zwei Punkte explizit hingewiesen:

Zum einen ist die laufende Arbeit an einem definitivem Mehrwertsteuersystem in der EU für Güter zu beachten. Diese Diskussion sollte mit anderen Kontrollmaßnahmen abgestimmt werden, und für diese sollte ein „Quasi-Echtzeit-Kontrollsystem“ für intra-EU Transaktionen in Betracht gezogen werden.

Fazit

Die Vereinheitlichung der Rechnungsvorschriften erleichtert allen Beteiligten den Rechnungsaustausch innerhalb der EU und sie hat nachweislich zu Einsparungen bei den Unternehmen geführt.

Konkret sieht man dies auch in unseren Projekten, denn die softwaregestützte Prüfung von Rechnungsvorschriften funktioniert für europäische Rechnungen recht ordentlich.

Bei den elektronischen Rechnungen ist mit dem unstrukturierten pdf-Format auf Erstellerseite ein einfach zu erstellendes und günstiges Format für jedermann verfügbar. Die Erzeugung und Verwendung von strukturierten e-Rechnungen ist in der Tat noch etwas anspruchsvoller, da zur Erstellung technisch eine Verbindung zur Rechnungserzeugung im ERP-System benötigt wird. Nicht alle ERP-Systeme bieten das derzeit an. Auf der Erkennungsseite sind entsprechende Import-Module und Anzeigeprogramm für X-Rechnungen notwendig.

Interessant an der Studie sind die angedachten Empfehlungen in Richtung Quasi-Echtzeit-Kontrollsystem“ für intra-EU Transaktionen. Die weitere Entwicklung dieses Themas sollte beobachtet werden.

Was können Unternehmen planen?

Die Studie zeigt, dass der Anteil an strukturierten E-Rechnungen steigt. Mit Blick auf den Zeitplan für den e-Rechnungseinsatz in EU und in Deutschland werden diese Rechnungen sich weiterverbreiten. Die fortgeschrittene Anwendung in Italien zeigt darüber hinaus, wozu X-Rechnungen verwendet werden können und dass ein damit arbeitendes zentrales, staatliches Portal für den Rechnungsaustausch funktionieren kann.

Empfehlung 1: elektronischer Rechnungsprüfungsprozess

Für die softwaregestützte Umsetzung sind Invoicing-Lösungen für die Erfassung und Prüfung von Eingangsrechnungen mehr denn je zukunftsweisend. Ob die Rechnungen nun gescannt, per Mail importiert oder per Import-Programm aus strukturierten Rechnungen ausgelesen werden, ist nachrangig und nur eine Modulfrage.

Entscheidend ist die Art und Weise der ordentlichen Rechnungsprüfung und -freigabe – also die Lösung der aus EU-Sicht unzufrieden geregelten Prüfungsfrage nach Integrität und Authentizität. Der Verfasser bezweifelt, dass sich das europaweit einheitlich regeln lässt. Denn jedes Unternehmen, jede Organisation in jeder Branche prüft seine Rechnungen nach individuellen Vorschriften.

Ein EU-weites vorgeschlagenes Referenzmodell für die Rechnungsprüfung kann wie der empfohlene Rechnungs-Digitalisierungsprozess in IDW FAIT III sinnvoll sein, soweit er Empfehlungscharakter hat. Eine individuelle Anpassung an die Gegebenheiten in jedem Unternehmen wird aber weiterhin notwendig und sinnvoll sein.

Wovon kann man sicherlich ausgehen?

Je mehr elektronische Rechnungen im Umlauf sind, desto sinnvoller wird die medienbruchfreie elektronische Rechnungsprüfung sein. Daher ist die Einführung eines entsprechenden Workflows eine zukunftssichere Lösung.

Empfehlung 2: Ausgangsrechnungen als X-Rechnung mittels elektronischer Rechnungsversand

Die umfangreiche Verwendung elektronischer Rechnungen ist der EU-Studie deutlich belegt. Unsere Erfahrungen bestätigen dabei die Studienergebnisse, dass mehrheitlich PDF-Rechnungen ohne strukturierte Daten genutzt werden.

Der Einsatz geht mittlerweile sogar in die Richtung, dass pdf-Rechnungen durch Abfotografieren der Papierrechnungen mittels Smartphone erstellt und versendet werden – im B2B-Bereich ist das zwar eher selten, allerdings beobachten wir das auf einem sehr niedrigem Niveau dennoch gelegentlich.

Die elektronische Datenextraktion wird hier vor neue Herausforderungen gestellt, denn das Bild ist nicht von einem Scanner mit glattem und geradem Einzug erstellt worden, und hat deutlich mehr Verzerrungen als das üblich ist. Die Datenextraktion ist also wegen der anderen Erfassungsmethode mit mehr Unschärfe und Fehlern behaftet (außerdem gibt es Lichtspiegelungen, Schatten etc.).

Das bildhafte pdf-Format ist nicht zuletzt deswegen verbreitet, da es rasch und günstig erstellt werden kann und keine Verbindung zu einem Fakturierungssystem benötigt – hierfür ist eine gewisse Investition in neue Technologie notwendig.

Wenn jedoch kein Unternehmen in eine maschinenlesbare Technologie wie X-Rechnung investiert, wird kein weiterer Nutzen eintreten. Es herrscht dann die Situation wie bei ZUGFeRD: Der Standard ist vorhanden, aber nur wenige Unternehmen bekommen ZUGFeRD-Rechnungen, weil sich die Investition auf der „Rechnungserstellungsseite“ auf der Absenderseite nicht rechnet – sondern nur auf Empfängerseite – wir haben damit ein klassisches Henne-Ei-Problem.

Mit der X-Rechnung in Verbindung mit EU-Richtlinie 2014/55/EU sowie der dt. E-Rechnungs-Verordnung und soll dieses Dilemma gelöst werden: Zum einen ist das Format Basis für einen europaweiten Austausch und zum anderen setzt die Gesetzgebung an einem konkreten Punkt an:

Öffentliche Einrichtungen müssen X-Rechnungen seit Anfang des Jahres empfangen können und die Pflicht zur Rechnungserstellung mit X-Rechnung wird ab November 2020 kommen. Da die öffentliche Verwaltung X-Rechnung empfangen muss, und das Format schrittweise eingesetzt wird, erfolgt die Verbreitung wie bei einer Reihe umfallender Domino-Steine: Ein Teilnehmer der Wertschöpfungskette schreibt X-Rechnung vor, alle anderen werden dann folgen bzw. umfallen und den Widerstand gegen strukturierte e-Rechnungsformate aufgeben!

Eine Investition in digitale Rechnungserstellung wird sich also lohnen. Die Formatfrage ist auch entschieden: Es ist das X-Rechnungsformat nach CEN-Standard und das ist grundsätzlich europaweit nutzbar.

Bekanntlich tritt der Investitionsnutzen hier eher auf Empfängerseite ein, als auf Erstellerseite, deswegen ist der bisherige Verbreitungsgrad langsamer. Allerdings gilt erfahrungsgemäß auch die Erkenntnis „Wer zuletzt rationalisiert, der verliert“, weil alle innovativen Unternehmen und „early adopters“ den Nutzeneffekt viel länger genießen und über den Erfahrungskurveneffekt mehr Vorteile ziehen.

Größere Organisationen erkennen mittlerweile diese technischen und wirtschaftlichen Vorteile und wiegen die Verwendung von ERP-internen Formaten (wie IDoc bei SAP-Systemen) für den internen Rechnungsaustausch mit den Investitionen für X-Rechnungsformate ab. Denn mit X-Rechnung liegt ein einheitliches Format für den unternehmensinternen und –externen, europaweiten Versand vor. Bei in-house-Verwendung schlägt sich der Austausch mit X-Rechnung letztendlich auch auf der nachweislich profitablen Eingangsrechnungsseite nieder.

Und wie geht man dabei vor?

Optimal ist hierbei die schrittweise Debitorenspezifische Erstellung, so dass je nach Empfängermöglichkeiten, die Rechnungen noch in unstrukturiertem pdf-Format oder schon in strukturiertem X-Rechnungsformat an die Rechnungsempfänger versendet werden – von Papier spricht man dank der EU-Richtlinie bei dieser Entscheidung gar nicht mehr!

 

Quellen

Studie zur Evaluierung der Rechnungsstellungsregeln der Richtlinie 2006/112/EChttps://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/486f3631-2db1-11e9-8d04-01aa75ed71a1/language-de/format-PDF; Published: 2019-02-08      
Corporate author(s): CASE Centre for Social and Economic Research, Directorate-General for Taxation and Customs Union (European Commission), Economisti Associati , Mazars Group
Weiterführende Literatur: Dr. Dietmar Weiß, DWB, “
Eingangsrechnungsbearbeitung”, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-947461-00-4, www.weiss-buch.com

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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