Nur Information Management oder Intelligent Information Management?

Nur Information Management oder Intelligent Information Management?
Dr. Ulrich Kampffmeyer, PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH, Hamburg
Artikel aus dem PROJECT-CONSULT-Newsletter 03-2019 vom 15.06.2019

Intelligent Information Management

Der Begriffsbestandteil “intelligent” hält nun auch Einzug in die Information-Management-Branche. Der internationale Branchenverband für ECM Enterprise Content Management, AIIM Association for Image & Information Management international, hat sich in Association for Intelligent Information Management umbenannt.

Es freut uns natürlich, dass vom Branchenverband offiziell mit Intelligent Information Management etwas aufgegriffen wird, was wir schon vor 8 Jahren – mehr scherzhaft auf Twitter – in eine Diskussion eingebracht haben: “AIIM – ist das nicht schon seit 40 Jahren das Akronym für Association for Intelligent Information Management? 😉 “.

Die Diskussion um die Neufokussierung des Verbandes läuft bereits sehr lange, da es ECM nicht geschafft hat, sich als Fachbegriff und Identifikation einer Branche am Markt dauerhaft zu etablieren. Dies lag auch daran, dass der Begriffsbestandteil “Content” nicht sehr “sexy” war und zu dem sehr nah am Begriff des Web Content Management nicht treffend genug ist.

Die ECM-Branche ist bereits seit Jahren mit dem Begriff ECM “unglücklich” und hat versucht ihn weiterzuentwickeln. Analysten wie Gartner und Forrester hatten dann versucht ECM Enterprise Content Management auf “Content Services” zu reduzieren. Dies fachte die Diskussion neu an, ob man nun mit EIM Enterprise Information Management, Content Services oder etwas anderem als neuem Branchen-Leitmotto weitermachen soll.

Bereits im Sommer näherte sich AIIM dem Begriff Intelligent Information Management an, da er die Möglichkeit bietet, das Akronym der AIIM unverändert beizubehalten. So schrieb John Mancini: “It took AIIM a while – and you and I have spoken about this many times, but we’ve gotten to “Information Management”!

John Mancini, AIIM, unternimmt in einem Vortrag bei M-Files einen Versuch um “Intelligent” für “Intelligent Information Management” zu definieren:  

“intelligent means that the business need information management tools that are 1) easy to use, 2) usable without a lot of IT involvement; and 3) easy to integrate in their day-to-day processes.”

Das war im April und einige Anbieter haben schon damals ver­­­sucht, das Thema Intelli­gent Information Mana­ge­­­­­­­­ment für sich zu rekla­mieren (zuerst wohl in größerem Stil Kodak in 2014). Also wenig Neues und man­ches dürfte dann nur ein neues Etikett für vorhandene Lösungen sein. Es geht aber darum, mehr als nur einen Schritt vorwärts zu machen.

In seinem Whitepaper “The Next Wave: Moving from ECM to Intelligent Information Management” im Mai 2017 wird John Mancini, AIIM, kon­kreter. Er entwirft hier eine “Road­map”, in der bis­­­­herige ECM-Kom­­­­po­­­­­­­­­nenten neu zu­­­­­geordnet wer­­­­­­­­den.

Aber auch dieser Ansatz ist unzureichend und schon gar nicht konsistent, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben. Die wesentlichen Ideen von ECM – Strategien und Methoden – gehen ebenso wie die wichtigen “Manage”-Komponenten dabei unter. Stattdessen tauchen neue Schlagworte auf und werden nicht immer stimmig den neuen Überschriften “Create, “Capture”, “Automate”, “Deliver”, “Preserve” und “Analyse” untergeordnet.

Atle Skjekkeland, AIIM, definiert in einem Vortrag im Oktober 2017 eine weitere, seine Sicht auf IIM

Intelligent Information Management:

“Intelligent Information Management

  • Understanding and anticipating internal and external customer expectations
  • Digitalizing the core infrastructure
  • Rationalizing and modernizing the information infrstructure
  • Automating compliance and governance
  • Levaraging analytics and machine learning.”

Auch das ist zu kurz gesprungen und greift nur einige Schlagworte und Aspekte des Information Management auf. Als Definition reicht dies nicht aus. Das ist noch nicht das Banner, unter dem sich die Branche neu versammeln kann.      

Definition von IIM Intelligent Information Management in Wikipedia

Hilft ein Blick in die aktuelle Version des Lemma “Enterprise Content Management? Dort wurde am 16.11.2017 eingetragen, dass die AIIM den Begriff ECM ausgemustert habe und durch IIM Intelligent Informationen Management ersetzte.

Nun, ist die Definition

“IIM Intelligent Information Management is the strategies, methods, and tools used to create, capture, automate, deliver, secure, and analyze content and documents related to organizational processes. IIM refers to the management of content and data, not just content itself.”

ausreichend, den Unterschied zu begründen, um von ECM zu IIM zu gelangen? Versuchen wir es einmal auf deutsch:

“IIM Intelligentes Informationsmanagement sind die Strategien, Methoden und Werkzeuge um Inhalte und Dokumente in organisatorischen Prozessen zu erzeugen, zu erfassen, zu automatisieren, bereitzustellen, zu sichern und auszuwerten. Dabei geht es bei IIM um die Handhabung, Erschließung und Verwaltung von unstrukturierten Inhalten und strukturierten Daten zusammen.”

Die Definition sieht aus wie die ursprüngliche ECM-Definition – nur etwas aufgebohrt. “Create”, “Secure”, “Analyze” – das sind neue Begriffe, die bereits in der Diskussion 2017 auftauchten. Management sollte Handhaben, Nutzen, Erschließen und Verwalten beinhalten. “Data AND Content” – dass ECM schon immer das Ziel hatte, Daten und unstrukturierte Information zusammenzubringen, hatten wir bei PROJECT CONSULT schon in 2008 beim Wandel von ECM zum Thema EIM Enterprise Information Management. Dabei ging es immer schon um die Überwindung der vermeintlichen Lücke zwischen strukturierten Daten und unstrukturierten Dokumenten, bzw. Informationen. “Documents related” erinnert an unseren Begriff „Document related Technologies“ (DRT) um die Jahrtausendwende.

Reicht dies, diese Definition, reicht sie um dem Thema IIM Intelligent Information Management genügend Anerkennung und Durchsetzungskraft zu bescheren?

Die Diskussion um #IIM geht weiter

Ganz klar: die Definition auf der Wikipedia-Seite ist nicht von AIIM. Irgendein hilfreicher Geist hat versucht, das Thema ECM in die neue Zeit zu retten und sich dabei einer Adaption der alten ECM-Definition bemächtigt.

Bis Anfang 2018 bringt AIIM international eine Reihe von Whitepaper, Foliensets und Webinaren heraus, die sich mit der Neuausrichtung des Verbandes und der neuen Vision IIM Intelligent Information Management beschäftigen.

Aus unserem Update Information Management 2018 einige der Folien dazu (die Video-Aufzeichnung mit den gesprochenen Erklärungen folgt dann in Kürze auf Youtube https://www.youtube.com/channel/UC74uVGF-zwVQUPj2a_FX26w):

AIIM versucht zu diesem Zeitpunkt noch, sich mit einer eigenen Vision von IIM Intelligent Information Management als Nachfolger von ECM zu positionieren. Parallel wird aber von vielen Analysten und Anbietern in 2018 das Thema „Content Services“ vorangetrieben.

The State of Intelligent Information Management

2018 erscheinen im März und April neue Studien der AIIM, die endlich Klarheit bringen sollen: „The State of Intelli­gent Infor­mation Management: Getting Ahea­d of the Digital Trans­for­mation Curve“. Neue Begriffe und eine neue Positionierung.

Laut AIIM wird das neue Akronym IIM für Intelligent Information Management bereits gut angenommen. Nur wer wurde da gefragt? Die immer gleichen Adressaten aus der Insider-Gruppe?

Was aus der Befragung aber nicht deutlich wird, ist, dass Menschen mit Branchen-Affinität gefragt wurden. Also Leute, die sich seit Jahren mit ECM, EIM und Information Management beschäftigen. Außerhalb der Blase kommt IIM nicht vor.

Auch eine Auswertung einer anderen AIIM-Studie zeigt deutlich, dass immer noch die alten Kernthemen eine wichtige Rolle spielen.

So erhalten RM (Records Management), Dokument-Klassifizierung und BPM (Business Process Management) hohe Relevanzzahlen in Bezug auf notwendige Aufmerksamkeit und Ressourcen. Dies sind Anwendungsgebiete, wo man sich Erleichterungen durch IIM, AI und Automatisierung verspricht.

In der AIIM-Industry-Watch-Studie “The State of Intelligent Information Management – Getting ahead of the Digital Transformation Curve” von 2018 geht es um folgende Themen <Zitat des Inhaltsverzeichnisses gekürzt>:

  • Process used and survey demographics
  • Introduction
  1. Every organization is on – or should be on – a digital transformation joruney. The of this transformation journey is understanding, anticipating, and redefining inetrnal and external customer experiences
  2. Digital transformation effectivness is imperiled by a raising tide of information chaos and confusion.
  3. The rising tide of information chaos and confusion is creating a demand for new information management practices that extend beyond traditional ECM
  4. How organizations describe these new information management practices is still evolving
  5. AIIM believes that four key intelligent information management practices or methodologies – and an associated set of modular and configurable technology building blocks – are criticial to digital transformation
  6. The secret sauce – information management maturity and digital transformation maturity are directly tied to business effectivness and profitability
  7. Some final thoughts

Wir haben das alles mal vereinfacht zusammengefasst. Unsere zwei PROJECT-CONSULT-Botschaften sind:

„Intelligentes Informationsmanagement ist keine Technologie sondern das was man tut." 

und natürlich

„Digitale Transformation ohne Informationsmanagement funktioniert nicht."

Herbst 2018: ein neuer Anlauf: „Was macht IIM eigentlich aus?“

Bei den im Herbst 2018 kursierenden Unterlagen der AIIM, warum Intelligent Information Management wichtig, ist, handelt es sich um einen Folienset von John Mancini, dem ehemaligen Präsidenten der AIIM: http://bit.ly/IIMstate2018. Darin gibt es viele Argumente, warum es sinnvoll ist, nur noch von Information Management zu sprechen. Jedoch fehlt auf der Webseite der AIIM wie auch in anerkannten Publikationen oder einem Buch die griffige Definition, was IIM ausmacht. Scannt man das Internet, Social Media und Nachrichtenkanäle, dann ist ein deutlicher Rückgang des Interesses an Intelligent Information Management als Branchenbegriff zu erkennen.

2018 erscheinen im März und April neue Studien der AIIM, die endlich Klarheit bringen sollen: „The State of Intelli­gent Infor­mation Management: Getting Ahea­d of the Digital Trans­for­mation Curve“. Neue Begriffe und eine neue Positionierung.

Mit “Technology Building Blocks” sind wir zugleich wieder in der Falle gelandet, dass sich alles um Technologie und Funktionalität dreht. Das ganze zur “praktischen Anwendung von IIM” zu erklären, langt da einfach nicht. Information Management ist vor allem Strategie, Methodik, Organisation, Nutzungsmodelle und Informations-beherrschung.    

Information Management oder Information Governance als Leitbegriff?

In dem Maße wie das anfängliche Interesse an IIM Intelligent Information Management 2018 abebbte gewann InfoGov Information Governance deutlich an Fahrt. Informations­beherrschung anstelle von Informationsmanagement. Im Internet finden sich Diskussionen und Tweets den “Kampf um die begriffliche Meinungshoheit” illustrieren:

  • Ist Information Governance Bestandteil von Information Management?
  • Ist Information Management nur die taktische, ausführende Kompo¬nente von der strategischen Information Governance?
  • Wie ist das Verhältnis zu den akademischen Ausbildungen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen von Information Science?


Promoter für Information Governance als führender Disziplin ist aktuell die Information Coalition. Auch sie will sich als Meinungsführer der ECM-Branche etablieren und bietet entsprechende Bücher, Definitionen, Tagungen, Schulungen und Berufszertifikate an.

Aber auch AIIM nimmt sich des Themas Information Governance an, wie das Schaubild “Information Overload and Automating Governance” zeigt.

AIIM vermeidet hier den Begriff “Information Governance” und benutzt stattdessen “Data Governance”. Lässt sich das so einfach auseinander dividieren? Die Diskussionen um einen (neuen) “Leitbegriff” für die Branche werden aber eine notwendige inhaltliche Auseinandersetzung um die zukünftige Bedeutung von Verbänden wie AIIM, ARMA, Information Coalition usw. nicht versetzen können. Verbände, auch in Deutschland BITKOM, VOI, DGI u.a., haben die Aufgabe, ein klares Bild der Öffentlichkeit zu vermitteln, um ihre Mitglieder zu fördern, Lösungen für aktuelle Probleme verfügbar und Branchen identifzierbar zu machen.

Für die Anwender führt die Begriffsvielfalt dazu, dass er sich so kein klares Bild mehr machen kann, wenn nach für prozessuale und geschäftliche Probleme gesucht wird. Die Fragmentierung führt auch zu deutlich weniger Visibilität der Branche selbst.

2019: IIM als Dach für Services?

AIIM hat Anfang 2019 einen neuen Versuch gestartet, IIM Intelligent Information Management zu definieren.  http://bit.ly/AIIMdefinitionIIM Leider geht dieser Versuch ins Leere, da er nur neue Schlagworte aus dem Analysten-Umfeld als Bestandteile von IIM deklariert. IIM wird nun als Dach für verschiedene Services definiert, wobei die Inhalte der Gruppen und deren Definitionen auch eher volatil sind.

AIIM bezieht sich zwar auf ihre älteren Aussagen wie den AIIM report “The Next Wave – Moving from ECM to Intelligent Information Management”, sieht allerdings in Intelligent Information Management nur folgende drei Bausteine:

<Zitat>

“These challenges are creating a demand for new information management practices that extend beyond traditional Enterprise Content Management. We call this Intelligent Information Management (IIM), a roadmap that provides the following key capabilities:

  • CONTENT SERVICES: A flexible and modular approach that utilizes content and information wherever and whenever it is needed, independent of where it is stored.
  • PROCESS SERVICES: Tools that can be delivered with the simplicity of an app, but within a framework that allows the business to remain in control.
  • ANALYTICS SERVICES: Automated tools to prepare all information – both structured and unstructured — for machine learning.” </Zitat>

Dazu gibt es noch eine Grafik im typischen US-AIIM-Stil:

Eine knackige, griffige Definition ist das nicht. Sie lässt den interessierten User im Dunkeln undefinierter Fachbegriffe stehen. Letztlich ist nur ein Versuch, die widerstrebenden Interessen von AIIM (IIM Intelligent Information Management) und der Analysten Forrester, Gartner & Co. (Content Services) irgendwie zusammenzubringen. Während Content Services als CSP Content Services Platforms den Kern des ursprünglichen ECM umfasst kommen neu Process Services (obwohl BPM Business Process Management schon immer Bestandteil von ECM war) und Analytics Services hinzu (dies ist neu und soll auch AI Artificial Intelligence irgendwie mit einfangen). Was sich hinter den Process Services und den Analytics Services verbirgt, werden die Analysten von Gartner schon irgendwann publizieren.

AIIM versucht hier lediglich mit IIM eine Brücke zu den neuen Kategorisierungen der Branche zu schlagen. Die bisherigen “6 Gruppen” bzw. “3 Gruppen” mit Zusammenstellung von Aspekten und Funktionalität von IIM Intelligent Information Management der ersten Definitionsversuche sind damit wohl abgelöst. Aktuell schließt Intelligent Information Management als Strategie die technisch und funktional definierten Disziplinen “Content Services” (der Ersatz für ECM?!), “Process Services” und “Analytics Services” ein.

[Grafik aus der aktuellen AIIM Studie “Implementing a Digital Workplace Strategy“]

Die Funktionalität von ECM Enterprise Content Management beschränkt sich hier aber nicht nur auf die “Content Services” sondern findet sich auch bei den “Process Services” und “Analytics Services”.

  • Die klassischen ECM-Komponenten Records, Management, Preservation (elektronische Archivierung), Document Management, Collaboration und Capture finden sich bei den “Content Services”. neu sind hier die Aspekte Migration und Integration, die aber eigentlich keine vergleichbare Funktionalität wie die anderen Komponenten darstellen. Aus Capture wurde Multi-Channel Capture auch wenn schon Omni-Channel angesagt ist. Andere ehemals typische ECM-Komponenten wie WCM Web Content Management oder Deliver mit Output Management, Access, Navigation, Suche und Finden sind hier offenbar auf der Strecke geblieben.
  • In die “Process Services” wurde natürlich Business Process Management (BPM) eingeordnet. BPM war schon immer das Rückgrat von ECM, schon in den Zeiten, als man noch von Workflow sprach. Neu sind Decision Management und Robotic Process Automation. Hier klingt etwas KI Künstliche Intelligenz an. Case Management ist dem deutschen Bürokraten sein liebstes Kind “Vorgangsbearbeitung”. Eigentlich auch nur eine Ausprägung von Workflow, BPM und elektronischer Akte. Was man sich nun unter Decision Management im Einzelnen vorstellen soll, ist noch nicht klar.
  • In die “Analytics Services” wurden auch “Metadata & Taxonomy Management” eingeordnet – ein Kernelement geordnter Informationsverwaltung, Records Management und Enterprise Content Management. Eigentlich ein traditionelles Thema von Records Management. Gut – will man zukünftig zu selbstkonfigurierenden Systemen (SICS) sich weiterentwickeln, macht das Sinn. Personalisierung und Individualisierung ist ein Thema für BigData Analytics und auch zugleich eine Gefahr der Ausforschung und Manipulation durch Software. Dem soll wohl PII Identification & Protection entgegenwirken (aber wofür steht das Kürzel PII?). Hier verbergen sich auch die Auswirkungen der GDPR. Richtig zugeordnet sind hier Data Recognition und Extraction. Ob Analytics und Automatisierung auch bei der Standardisierung helfen, muss sich zeigen. Standardisierung ist eigentlich eine Eigenschaft aus Records Management und Taxonomie Anforderungen heraus.

Zahlreiche einzelne Aspekte von ECM sind in der neuen Struktur “untergegangen” – nicht nur WCM und Output Management sondern auch Signaturen, Store und andere. Einige wenige sind hinzugekommen. Einen richtigen Durchbruch stellt dies nicht da, da besonders die neuen Treiber wie AI Artificial Intelligence sowie der Einfluss von Plattform-Strategien wie Mobile und Cloud kaum repräsentiert sind. Hier muss noch seitens Verbänden und Analysten erheblich nachgeliefert werden. Als griffige Definition von II Intelligent Information Management taugt dies nicht. Und auch einige der Begriffe innerhalb der Struktur bedürfen noch einer definitorischen Schärfung.

Letztlich bleiben aber auch in der Auffassung der Studie die wichtigen Aspekten von IIM auf der Strecke. Bei IIM sollte es generell um den Umgang mit Information gehen, um Strategien und Methoden. Da hilft einen dort der Rückzug auf irgendwelche Software Services und Funktionen nicht. Im Gegenteil. Wir laufen in die gleiche Falle wie bei ECM Enterprise Content Management, als ECM für tot erklärt wurde. Bei Information Management geht es um Strategie, Methodik, Organisation, Nutzungsmodelle und Informationsbeherrschung. Bei Content Services geht es um Systeme, Funktionalität und Software. Beides passt nicht zusammen. Die neue “Definition” stellt nur den unzulänglichen Versuch da, die verschiedenen Strömungen in der Branche zumindest begrifflich in ein Bild zu zwängen. Das funktioniert nicht. Diese neue “Definition” von #IIM hätte man sich auch besser sparen können.

Intelligent Information Management Benchmarking Report 2019

Klärt der aktuelle Bericht der AIIM Sommer 2019 die Frage einer guten Definition von Intelligent Information Management?

Der 27seitige “Intelligent Information Management Benchmark Report 2019” wurde von M-Files (http://www.M-Files.com) herausgegeben. Grafisch gut aufbereitet bietet er eine Reihe von Kennzahlen zum Markt und Einsatz von Information Management. Der Bericht unterteilt sich in 6 Abschnitte: “Introduction” mit der Methodik der Untersuchung und der Definition wichtiger Begriffe, “Document Management” mit den klassischen Ansätzen, “Document Management on the Move” für mobile Anwendungen, “Data Repositories” mit dem Vereinheitlichungsansatz für den Zugriff von M-Files, “Artificial Intelligence and Document Contextualization” für KI & Automatisierung sowie eine “Conclusion” mit den wichtigsten Erkenntnissen. Am Schluss dann der Abschnitt mit den Beschreibungen der Methodik und den demografischen Informationen zur Studie. “Intelligent Information Management” wird hier als übergreifende Klammer angesehen, um die verschiedenen Methoden zur Nutzung von Information und Dokumenten zu bündeln. M-Files benutzt hier gezielt den Begriff “Document Management”, obwohl dieser in der Branche längst abgelöst zu sein scheint.

So wird z.B. im ersten Abschnitt “Document Management” das Thema der erneuten Erstellung von Dokumenten aufgegriffen, weil die Ursprungsversion nicht mehr auffindbar ist: “Document Hide & Seek”.

Eine wesentliche Ursache für die Auffindbarkeit und geordnete Erschließung von Information ist die Zersplitterung der Speicherorte. Zahlreiche Repositories unterschiedlicher Art, unkontrollierte Redundanz und mangelnde Bereinigung von ROT (redundant, outdated, trivial) tragen zum Wertverlust der Information bei.

Die Auffindbarkeit, “Findability” als wesentliche Eigenschaft von Information, ist fast überall sehr schlecht ausgeprägt. Nicht nur verschiedene Repositories und Zugriffswege sondern auch die mangelbehaftete Architektur der Lösungen macht die Erschließung sch­wierig

Die Information Governance leidet unter der schlechten Organisation und Findability besonders: Freigabeprozesse, Abzeichnen von Dokumenten, Sicherstellen von Doku­menten im Sachzusammenhang sind ange­sichts mehr als 30 Jahren Electronic Docu­ment Management deutlich unterent­wickelt. In diese Thematik spielt auch das Thema elektronische Signatur hinein.

Die Zusammenfassung des ersten Kapitels bringt die markantesten Zahlen zusammen (und ermög­licht gleich aus dem PDF heraus diese zu tweeten).

Das Kapitel “Document Management on the Move” fällt kürzer aus. Vielfach wird der mobile Zugriff vom Anbieter gefordert, aber wird dann nicht umgesetzt, weil das Handling konventioneller Dokumente auf mobilen Geräten mit kleinem Bildschirm nicht ganz komfortabel ist. Auf dem Mobiltelefon kann man sich Dokumente allenfalls anzeigen lassen. Fürs Bearbeiten fehlen noch die Instrumente.

Auch hier bringt eine Zusammenfassung die wichtig­sten Aussagen und Zahlen nebst “Click to Tweet” zusammen.

Das Kapitel “Repositories” ist für M-Files natürlich besonders interes­sant, da sie mit ihrer Technologie einen über­greifenden Zugriff auf verschie­dene Speicher­orte um­setzen können. Damit erfüllt sich auch die Vision von ECM Enterprise Content Manage­ment aus dem Jahr 2000, wo eines der drei Ziele von ECM das “Federated Repository” war. Die Vielzahl der Speicherorte heute beeinträchtigt massiv die “Findability”.

Die wichtigsten Anwendungen, die ge­nutzt werden, definieren zugleich die Art und Anzahl der notwendigen Schnitt­stellen, die heute eine Lösung für Infor­mation Management mit­bringen muss. Microsoft und ERP aber auch zu­nehmend Cloud-Speicher­systeme spie­len hier die wichtigsten Rollen. Das Thema “Integration von Fachanwen­dungen” ist aber wahr­schein­lich durch die Art der Frage­stellung bei der Erhe­bung deutlich unterrepräsentiert.

Die Zusammenfassung wichtiger Kenn­zahlen zu den “Data Repositio­ries” zeigt, dass bei der Konso­lidierung, Verwaltung und Erschließung von Infor­mation in den Unter­nehmen noch einiges zu tun ist:

Künstliche Intelligenz (KI) wird als eine der wichtigsten Technologien betrachtet, um die Probleme der Indizierung, Klassifikation, Erschließung und “Findability” zu lösen. Dabei geht es nicht nur um so triviale Unzulänglichkeiten wie schlechte Benennungen, falscher Speicherort oder unzureichende Klassifikation sondern um generelle Probleme der Erschließung von Information bei sich ändernden Anforderungen und Fragestellungen in der Zukunft. bisherige Systematiken orientieren sich am “Ist” oder an der Vergangenheit. Das große Problem ist aber die Wertschöpfung aus der Information in Zukunft, da diese Anforderungen heute noch nicht bekannt sind.

Hierbei spielt die Bereitstellung der Information im Kontext auch eine wichtige Rolle, da ein Dokument in der Regel nicht allein für sich steht, sondern seine Bedeutung erst durch den Prozess, die rechtliche Relevanz, den Kontext und die Zugehörigkeit zu einem Geschäftsvorfall erhält.

Die Zusammenfassung dieses Ab­schnit­tes “Artificial Intelligence and Doc­ument Contextualization” bringt nur wenige Zahlen, da vieles der Ent­wick­lung auch noch in der Zukunft liegt.

Bei PROJECT CONSULT sehen wir nicht nur bei der Erschließung der Informationen selbst große Chancen, sondern die Struktur, der Aufbau und die Systematik von Informations­beständen können zukünftig von Systemen besser als durch den Menschen geplant und unterhalten werden. Dies gilt auch – und besonders – für die “Klassiker” der altertümlichen Informationsorganisation wie Aktenplan und elektronische Akte. Aber soweit ist man bei M-Files noch nicht.

Als Ergebnis, “Conclusion”, der Studie wird festgestellt:

<Zitat> Clearly the research supports the notion that workers across the globe still have nagging issues when it comes to the most basic document management functions — issues that will worsen as time goes on and the store of information gets larger. Businesses face a multitude of pressures — some of which can

 be mitigated by a simple information management strategy. A few of these challenges that could be assuaged include the weight of:

  • Keeping up with the demands of an everchanging workforce, one that includes millennials and digital natives that carry expectations of a flexible/mobile work environment. • Gaining a competitive advantage through the ability to attract and retain the best young talent.
  • Optimizing productivity, especially by freeing up key personnel to work on mission-critical or strategic tasks rather than spending an inordinate amount of time searching for the correct information.
  • Ensuring compliance and auditability in an environment of mounting regulations like GDPR.
  • Safeguarding quality standards with a traceable and auditable document trail that can be called upon in minutes rather than days.

Unless information management issues are addressed in an intentional and meaningful way, companies will continue to suffer from less-thanoptimal productivity.

The Solution to the Problem        

The good news is that there is a solution for organizations seeking to modernize the way they manage documents. All the challenges faced by the employees surveyed in this research and those billions of others around the world can be mitigated by an intelligent information management system. Think about the issues cited in this research:

  • Finding documents easily
  • Locating the most recent version of a document
  • Document chaos caused by scattering of information across several repositories
  • The process for reviewing, approving and signing documents
  • Enabling the mobile workforce to manage documents away from the office
  • The risks of personal device and file-sharing app use
  • Contextualization of documents

Every single one of these issues has a single solution — an intelligent information management platform. Documents are the lifeblood of an organization and fast, secure access to the correct versions of documents can be the difference between success and failure. Research from Forrester suggests that 70% of organizations have a poor content strategy — if at all. Companies cannot afford to settle for the status quo and let the problem get worse.

Document Management: Integral to Digital Transformation (and the ability to compete) Information systems are the foundation of modern IT. Thus, integral to any digital transformation initiative is the implementation of a flexible and intelligent information system. Yet, while digital technology is opening the door to completely new ways of doing business, some organizations flounder in their ambitions and instead stand pat without improving existing ways of operating. Some $2 trillion dollars will be spent annually worldwide on digital transformation technologies, according to analysts, while as many as 70% of enterprises polled admit that they don’t have a coherent plan.

Over the past few years, document management strategies have progressed significantly, driven by other trends in the IT market and the more widespread use of intelligent information management systems. Organizations that do not embrace digital transformation will be less likely to outclass competitors and reach the pinnacles of their markets. Modernized document management is central to the digital workplace and the adjustments necessary to compete. </Zitat>

Die Rückkehr zum Begriff “Dokument” und “Dokumentenmanagement” ist schon interessant, da sich das traditionelle Dokument in Auflösung befindet. Auch die Bedeutung des Begriffes IIM Intelligent Information Management ist hier anders gefasst als in der aktuellen Definition von AIIM, Gartner & Co., die IIM inzwischen versuchen als Dach über Content Services zu positionieren.   

Die Kommentare zu den Abbildungen oben geben übrigens nicht den Text der Studie wider sondern beschreiben unsere Eindrücke zum Thema.

Der Begriff Intelligent Information Management und sein Akronym IIM sind nun mal in der Welt. Nun gilt es, den neuen Begriff mit Leben, das heißt, konkreten Inhalten zu füllen. Er muss vom akademischen “Informationsmanagement” abgegrenzt werden, da dort der Begriff Information Management universeller und umfassender benutzt wird. Auch sollte man nicht Verarbeitungsanwendungen wie ERP, CRM oder PLM “aufsaugen”, sondern sich auf das Management der Information selbst konzentrieren. Sonst ufert das Thema aus und ermöglicht keine Identifikation von Anbietern wie auch Anwendern. Der Ansatz EIM Enterprise Information Management war schon gut, aber letztlich ist das “E” für Enterprise überflüssig. Und genauso überflüssig könnte sich das “Intelligent” erweisen – außer natürlich im Namen der AIIM um das Akronym zu bewahren. Also sprechen wir nun besser nur noch von Information Management.

Besser nur Information Management als Begriff benutzen?
Es macht Sinn, nur noch von Information Management zu sprechen!

Bisherige Definitionen von “Systemkategorien” wie Document Management, Image Management, Media Asset Management, Content Management usw. orientierten sich an den Objekten, die es zu veralten und zu erschließen gilt. Dies führte zur Bildung von Informationssilos. Die Trennung von “noncoded information” (NCI) und “coded Information” (CI) ist längst überwunden, da Information entsprechend ihrem Wert, Rechtscharakter und Inhalt übergreifend und zusammenhängend erschlossen werden muss. Mit den bisherigen Ansätzen springen wir zu kurz. Es geht nicht mehr nur um “Dokumente” oder “Prozesse”, es geht um alle Informationen. Ohne diesem Ansatz wird aus den hehren Schlagworten “Digitalisierung”, “IoT”, Büro 4.0″ usw. nichts. Bisherige monolithische Strukturen der Informationsverwaltung müssen sich ebenso wie die Produkte, die diese verwalten, ändern. Dies nur auf “Services” technischer Infrastruktur zurückzubilden – wie dies Gartner und andere tuen – langt nicht. Information Management als Strategie, als Set von Methoden, als ganzheitlicher Ansatz, darf nicht als Dienst im Untergrund der Systeme verschwinden. Information Management ist eine Management-Aufgabe auf Management-Ebene in den Organisationen und muss entsprechend in das Bewußtsein, in die Aufmerksamkeit gerückt werden. Wir sind zu 100% von der Verfügbarkeit und Richtigkeit elektronischer Information abhängig. Dies muss allen Beteiligten klar gemacht werden.

Information Management erfordert höchste Priorität wenn man die digitale Transformation ernst nimmt. Digitalisierung ohne effizientes Informationsmanagement funktioniert nicht!

So gesehen ist Intelligent Information Management ein Schritt nach vorn – weg von ECM Enterprise Content Management und nicht in die Sackgasse der Content Services. Intelligent Information Management öffnet den Weg in die Zukunft mit selbstlernenden Softwaresystemen der künstlichen Intelligenz. Es zeigt, dass Software zum Partner, ja zum Kollegen, wird, mit dem man zukünftig zusammenarbeitet und zusammenlebt. Die AIIM wie auch die Anbieter gewinnen so wieder Anschluss an die zukünftigen Trends der Information- & Telekommunikation (ITK). Wir überwinden so auch die Grenzen des Denkens in traditionellen Dokumenten und öffnen uns der Idee, dass ein Dokument nur durch seinen Inhalt, Rechtscharakter und Wert definiert ist – und nicht durch sein Format. Es geht um elektronische Information in beliebiger Gestalt.

Diesen Weg haben wir bei PROJECT CONSULT schon vor langer Zeit beschritten. Von ECM zu EIM zu Information Management im Jahr 2008. ECM musste weiterentwickelt werden, um sich in der sich verändernden Information-Management-Landschaft behaupten zu können. Wir sprechen nur noch von Information Management – denn es ging immer nur um die 10 generischen Ansätze von PROJECT CONSULT:

10 generische Prinzipien des Informationsmanagements

  • Informationsaustausch
  • Informationsnutzung
  • Informationsbereitstellung
  • Informationsschutz
  • Informationsverwaltung
  • Informationsbeherrschung
  • Informationsverteilung
  • Informationsbewertung
  • Informationsbewahrung
  • Informationsentsorgung

Alles dreht sich um Information, das “Gold des 21. Jahrhunderts”. Beim Thema “Wert der Information” kann man dann auch noch auf unsere “10 Gebote” aus der Keynote im Jahr 2005 zurückgreifen:

Die 10 Gebote des Informationsmanagements

So spricht der Herr der Information zu seinem auserwählten Volk!

  1. Du sollst nicht redundante Information neben der wahren Information haben!
  2. Du sollst dir ein Bildnis von deiner Information machen, auf das du sie finden mögest!
  3. Du sollst die Originalität der Information ehren und sie nicht verfälschen!
  4. Du sollst deine Information nicht löschen, bevor die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist!
  5. Du sollst deine Information so pflegen, dass sie immer richtig ist!
  6. Du sollst nicht falsche Information benutzen!
  7. Du sollst deine Information so schützen, dass sie nicht gestohlen werden kann oder zerstört wird!
  8. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Information, sondern dem Datenschutz huldigen!
  9. Du sollst deine Information so ordnen, dass sie dir nützlich ist!
  10. Du sollst den wahren Wert deiner Information erkennen und deine Information sorgsam bewahren!

Ramen!

Eine etwas andere Sicht auf das Information Management – ob nun, intelligent? Das bleibt offen.

Jenseits der Trends

Und noch etwas sollte man bedenken: die ganzen Diskussionen rund um Akronyme und Trends wie ECM, Content Services etc. werden immer noch aus den USA und der dortigen, englischsprachigen Begriffswelt getrieben. Ob die Begriffe und die Diskussionen Sinn machen wird zu wenig hinterfragt. Europa wie auch Deutschland ist immer ein Anhängsel und reagiert auf diese “Trends” sehr spät. Nur selten gelingt uns aus Deutschland heraus einen Begriff oder eine Diskussion zu treiben, wie dies mit “Industrie 4.0” gelang. Aber angesichts all der englischsprachigen Begriffe und der Dominanz der US-amerikanischen Software-, Kommunikations- und IT-Industrie sollte man sich langsam einmal fragen, was so in Indien oder China die Trends im Informationsmanagement sind. Wir leben in einer Blase “westlicher Ideen”. Nun wird man nicht auf chinesische Begriffe setzen wollen, aber eine Rückbesinnung auf deutschsprachige Begriffe wie Dokumentenmanagement helfen auch nicht weiter. Durch die Globalisierung müssen wir uns in Deutschland auch weiterhin mit den internationalen Begrifflichkeiten beschäftigen und noch bestehende “Lücken” füllen. So wird auch Records Management – ein wesentlicher Bestandteil von ECM Enterprise Content Management – als eigenständige Disziplin und Begrifflichkeit weiterbestehenden, weil hier durch rechtliche Vorgaben ebenso wie bei der revisionssicheren Archivierung (als deutsche Ausprägung des Records Management nebst Aufbewahrung) Funktionalität definiert ist. So wird es auch unterhalb des “Intelligent Information Management” weitere dedizierte Lösungsangebote geben und ECM ist nicht tot, sondern ist die Infrastruktur des Intelligent Information Management. IIM als neues Akronym ist nur ein neues Dach über bewährte Inhalte, die wir noch aus dem Chaos der Akronymologie befreien müssen.

Willkommen in der neuen Ära des ganzheitlichen (intelligenten) Informationsmanagements!