BMF-Studie: Elektronische Archivierung von Unternehmensdokumenten

13. November 2014 18:56 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat nicht nur mit den GoBD den Markt aufgewirbelt sondern zugleich eine Studie durchgeführt, wie denn Steuerpflichtige und Steuerberater zum Thema Archivierung stehen. Ja, nicht "Aufbwahrung" sondern "Archivierung steht im Titel der Studie.

Der Bericht zu dem BMF-Projekt "Elektronische Archivierung von Unternehmensdokumenten stärken" (http://bit.ly/BMF-Archivierung) erschien am 22.08.2014, also kurz vor Bekanntgabe der GoBD (Stand der Studie ist jedoch Mai 2014). Das Projekt „Elektronische Archivierung von Unternehmensdokumenten stärken“ sollte die Möglichkeiten der Aufbewahrung von steuerlich relevanten Unterlagen in Unternehmen darstellen, die Hemmnisse ermitteln, die aus Sicht der Unternehmen derzeit gegen eine vollständig elektronische Aufbewahrung sprechen, und mögliche Anreize identifizieren, mit denen die Umstellung auf die elektronische Aufbewahrung aus Sicht der Unternehmen gefördert werden kann. Hierfür wurde ein Survey durchgeführt, an dem 117 Unternehmen und 11 Steuerberater teilnahmen (eine viel zu kleine Stichprobe).

 

Im erläuternden Text schreibt das BMF

 

Untersuchungsergebnisse des Projekts „Elektronische Archivierung von Unternehmensdokumenten stärken“

Auf Grundlage des Arbeitsprogramms der Bundesregierung „Bessere Rechtsetzung“ vom 28. März 2012 hat das BMF in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (StBA) und Wirtschaftsverbänden untersucht, welche Faktoren Unternehmen daran hindern, vollständig auf eine elektronische Archivierung von Unternehmensdokumenten umzustellen. Die Untersuchungsergebnisse liegen jetzt vor.

  • Die Mehrzahl der befragten Unternehmen sieht in einer elektronischen Aufbewahrung von steuerlich relevanten Unterlagen deutliche Vorteile und ist grundsätzlich bereit, diese Möglichkeit zukünftig stärker zu nutzen.
  • Eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst die Unternehmensentscheidung zur Umstellung auf eine vollständige elektronische Archivierung.
  • Häufig genannte Gründe, die die Unternehmen derzeit an einer vollständigen elektronischen Aufbewahrung hindern, sind insbesondere der (einmalige und laufende) Aufwand bei Einführung der elektronischen Aufbewahrung sowie die Unsicherheit der Unternehmen hinsichtlich einer revisionssicheren Ausgestaltung der elektronischen Aufbewahrungssysteme und deren Akzeptanz durch die Finanzbehörden und Gerichte.
  • Hindernisfaktoren mit nachweisbar negativem Effekt auf die Umstellungsbereitschaft sind u. a. Kostenbelastungen bei Umstellungen und Pflege sowie das Festhalten an der „bewährten“ Papierform.

 

1 Ausgangslage
2 Untersuchungsgegenstand
3 Ziele des Projekts
4 Methodische Grundlagen und Projektablauf
5 Ergebnisse
5.1 Grundsätzliche Bereitschaft zur elektronischen Archivierung
5.2 Hindernisse für den Ausbau der elektronischen Archivierung
5.3 Anreize für den Ausbau der elektronischen Archivierung
6 Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

1 Ausgangslage

Eine stärkere Nutzung der Möglichkeiten zur rechtssicheren elektronischen Archivierung von Unternehmensdokumenten kann Bürokratiekosten der Wirtschaft im Zusammenhang mit der Archivierung und Aufbewahrung von Rechnungen und anderen Belegen erheblich reduzieren. Dieses Entlastungspotential kann aber nur realisiert werden, wenn die Unternehmen vermehrt auf eine elektronische Aktenführung umstellen. Das von der Bundesregierung in den Jahren 2010 und 2011 durchgeführte Projekt „Harmonisierung und Verkürzung der Aufbewahrungs- und Prüfungsfristen nach Handels-, Steuer- und Sozialrecht“ hatte jedoch gezeigt, dass ein großer Teil der Unternehmen (40 %) neben einer elektronischen auch eine papiergebundene Ablage führt. Mehr als 50 % der in diesem Projekt befragten Unternehmen bewahrten im Jahr 2011 ihre steuerrelevanten Unterlagen ausschließlich in Papierform auf. Dies konterkariert die mit einer elektronischen Archivierung verbundenen erheblichen Vorteile.

Mit dem Projekt „Elektronische Archivierung von Unternehmensdokumenten stärken“ sollte geklärt werden, welche Faktoren die Unternehmen daran hindern, vollständig auf eine elektronische Archivierung umzustellen, und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die elektronische Archivierung weiter in den Unternehmen zu etablieren. Das Projekt stand dabei in einem engen Zusammenhang mit den von der Bundesregierung am 14. Dezember 2011 beschlossenen Eckpunkten zur weiteren Entlastung der Wirtschaft von Bürokratiekosten, zu denen u. a. „weitere Anreize für die elektronische Archivierung von Rechnungen und anderen Belegen“ gehören.

 

2 Untersuchungsgegenstand

Untersucht wurden die Aufbewahrungspflichten aus dem Steuer-, Handels- und Sozialversicherungsrecht. Im Bereich der steuer- und zollrechtlichen Vorschriften handelt es sich um die Pflichten aus § 147 Absatz 1 und Absatz 3 Abgabenordnung, § 14b Absatz 1 Umsatzsteuergesetz, § 41 Einkommensteuergesetz sowie Artikel 16 Zollkodex beziehungsweise Artikel 29 Modernisierter Zollkodex. Die handelsrechtlichen Vorschriften ergeben sich aus § 257 Handelsgesetzbuch. Bei den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften waren die Pflichten aus § 28f Sozialgesetzbuch IV Gegenstand der Untersuchung.

Unter Archivierung wird dabei sowohl die Aufbewahrung im laufenden Produktivsystem als auch die langfristige Archivierung in einem Archivsystem verstanden.

 

3 Ziele des Projekts

Mit dem Projekt wurden insbesondere folgende Ziele verfolgt:

  • Qualitative Darstellung der Archivierung in Unternehmen,

    • Identifizierung möglicher Hemmnisse einer elektronischen Archivierung, insbesondere im Hinblick auf
    • unternehmerische Abläufe und Organisationsstrukturen,
    • die Rechtssicherheit bei der elektronischen Archivierung,
    • die Verfügbarkeit der Unterlagen,
    • rechtliche Verfahrensvorgaben, z. B. aus dem Steuer-, Handels- oder Sozialrecht,
       
  • Identifizierung von Anreizen zur vollständigen elektronischen Archivierung in Unternehmen.
     
  • Durch eine Identifizierung möglicher Hemmnisse einer elektronischen Archivierung oder potentieller Anreize zur Umstellung auf vollständige elektronische Archivierungsprozesse sollten Katalysatoren ermittelt werden, die den Umstellungsprozess forcieren und so dazu beitragen, Bürokratiekosten der Wirtschaft zu reduzieren.

 

4 Methodische Grundlagen und Projektablauf

Insgesamt 117 Unternehmen verschiedener Größenklassen wurden im zweiten Halbjahr 2013 durch das StBA befragt. Dabei wurden Informationen zur Form und Art der Archivierung, zu den Beweggründen, zum Kenntnisstand der Rechtslage und zur technischen Infrastruktur in den Unternehmen erhoben. Ergänzend erfolgte eine Expertenbefragung von Steuerberatern. Das Projekt wurde in vier Phasen durchgeführt:

a) Entwicklung der Messinstrumente und des Messkonzept

In der ersten Phase wurde ein Gesprächsleitfaden entwickelt. Ferner wurde ein Projektsteckbrief erstellt und abgestimmt, in dem Fragen der Vorgehensweise, der Auswahl der zu befragenden Unternehmen und der Datenaufbereitung geklärt wurden.

b) Durchführung eines Pretests

Der Leitfaden wurde einem Pretest unterzogen, um auf Basis einiger Testinterviews geeignete Antwortkategorien zu entwickeln und mögliche Schwierigkeiten bei der Befragung identifizieren zu können. Im Anschluss wurde der Fragebogen für die Haupterhebung auf Basis der dabei gewonnenen Erkenntnisse angepasst und optimiert.

c) Durchführung der Erhebung

Die Datenerhebung erfolgte durch das StBA mittels telefonischer Interviews mit den Unternehmen und Steuerberatern.

d) Ergebnispräsentation und Abschlussbericht

In der letzten Phase hat das StBA die gewonnenen Erkenntnisse präsentiert und einen Projektbericht erstellt, der auf den Internetseiten des BMF veröffentlicht worden ist. Das Projekt wurde im Juni 2014 abgeschlossen.

 

5 Ergebnisse

Mit Hilfe der ausdifferenzierten Befragung einer größeren Zahl von Unternehmen wurden Hintergründe und entscheidungsrelevante Motive für die Frage der Umstellung von einer papierbasierten auf eine vollständige elektronische Archivierung offengelegt. Darüber hinaus erlauben die statistischen Auswertungen der Befragungsergebnisse auch Rückschlüsse auf größenabhängige Besonderheiten bei einer entsprechenden Positionierung. Dank der regen Beteiligung der Unternehmen ergibt sich so eine belastbare – wenn auch nicht statistisch repräsentative – Datenbasis, die für zielgerichtete Ansätze zur Stärkung der elektronischen Archivierung genutzt werden kann. Im Folgenden sind einige wesentliche Ergebnisse der Untersuchung zusammenfassend dargestellt. Der Projektbericht (vergleiche Abschnitt 4 d) enthält zusätzliche vertiefende Analysen.

5.1 Grundsätzliche Bereitschaft zur elektronischen Archivierung

Elektronische Datenverarbeitungssysteme werden in den Unternehmen bereits jetzt für viele Aufgabenbereiche genutzt. Insofern sind die Ausgangsvoraussetzungen für eine Ablage elektronischer Unterlagen geschaffen. Insbesondere umsatzstarke Unternehmen bedienen sich elektronischer Datenverarbeitungssysteme für die Buchhaltung, das Rechnungswesen sowie für die Aufbewahrung ihrer Unterlagen. Mit Abnahme der Umsatzerlöse sinkt der Anteil an Unternehmen, die elektronische Systeme für diese Aufgabenbereiche verwenden. Die Unternehmen setzen mehrheitlich Standardprogramme ein.

In der Gesamtschau der Aufbewahrung verschiedener Unterlagen bestimmt die originäre Form eines Dokuments seine Aufbewahrung. Während empfangene oder versandte Unterlagen in Papierform auch überwiegend in Papier aufbewahrt werden, werden elektronische Unterlagen oftmals doppelt aufbewahrt. Der Blick auf die Unternehmensgrößen differenziert dieses Bild. In umsatzstarken Unternehmen dominiert die elektronische Aufbewahrung bei vielen Unterlagen. Kleine und mittlere Unternehmen bewahren Unterlagen häufiger in doppelter Form auf.

89 Unternehmen erklärten sich grundsätzlich bereit, steuerlich relevante Unterlagen ausschließlich elektronisch aufzubewahren; 13 Unternehmen sagten dagegen, dies komme grundsätzlich nicht infrage, eines der befragten Unternehmen war unentschlossen. Die Betrachtung der verschiedenen Größenklassen von Unternehmen hat ergeben, dass die elektronische Aufbewahrung für große Unternehmen eher in Betracht kommt als für kleinere. Dennoch sind auch mehr als zwei Drittel der befragten kleinen Unternehmen grundsätzlich bereit, ihre Unterlagen elektronisch aufzubewahren. Insgesamt ergibt sich eine sehr große Aufgeschlossenheit der Unternehmen gegenüber der elektronischen Aufbewahrung.

Die Mehrheit der befragten Unternehmen ist der Ansicht, dass eine elektronische Aufbewahrung deutliche Vorteile für sie bringen würde. Bei den Großunternehmen sehen sogar 98 % der Befragten Vorteile durch eine vollständig elektronische Aufbewahrung, aber auch bei den mittleren und kleinen Unternehmen sind es jeweils 77 %. Auch in den Begründungen zur jeweiligen Einschätzung zeigt sich, dass die Mehrheit der Unternehmen deutliche Vorteile von einer elektronischen Archivierung erwartet. So würde hierdurch insbesondere Platz eingespart, der derzeit für Papierarchive anfällt. Ferner würde Zeit gespart für den Zugriff auf archivierte Belege, für die Weiterverarbeitung elektronisch erfasster Eingänge, für die Ablage elektronischer Unterlagen und die Vernichtung nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist. Man könnte zeitgleich von verschiedenen Orten auf das elektronische Archiv zugreifen. Zudem könnten große Mengen an Papier eingespart werden, und die Miete für derzeit benötigte Archivräume würde entfallen. Eine transparente Dokumentation des Ablageverfahrens wird ebenso als Vorteil gesehen wie die schnelle und aktuelle Verfügbarkeit und sichere Speicherung der Daten.

Die Unternehmen, die keine Vorteile in einer elektronischen Archivierung sehen, nannten als Grund hierfür insbesondere, dass bei ihnen insgesamt nur geringe Mengen an Belegen anfielen und eine Umstellung daher für sie nicht lohnenswert erscheine.

5.2 Hindernisse für den Ausbau der elektronischen Archivierung

Die Unternehmen nannten in der Befragung eine Reihe von Faktoren, die sie derzeit daran hindern, ihre steuerlich relevanten Unterlagen vollständig elektronisch aufzubewahren. Die Bandbreite der genannten Faktoren reicht dabei von der Umstellung organisatorischer Abläufe, die erforderlich wäre, bis hin zu befürchteter mangelnder Akzeptanz aufgrund von Vorbehalten der Mitarbeiter. Bei den abgefragten und den weiteren von den Unternehmen genannten Faktoren zeigt sich aber zugleich eine deutliche Abstufung. Auch wenn also eine Vielzahl möglicher Gründe eine Rolle spielt, so lassen sich doch besonders relevante Themenbereiche herausarbeiten, welche die Entscheidung der Unternehmen gegen eine vollständig elektronische Aufbewahrung maßgeblich beeinflussen.

Die am häufigsten genannten Hinderungsgründe sind der (einmalige und laufende) Aufwand bei Einführung der elektronischen Aufbewahrung sowie die Unsicherheit der Unternehmen, wie die Anforderungen an das elektronische Aufbewahrungssystem so in der eigenen Praxis umzusetzen sind, dass dieses revisionssicher ist. Diese Unsicherheit bezieht sich darauf, wie die rechtlichen Grundlagen und Buchführungsgrundsätze für elektronische Unterlagen zu verstehen und im Unternehmen umzusetzen sind, damit diese Unterlagen von Finanzbehörden und Gerichten akzeptiert werden. Dabei wurde in der Regel nicht der Wortlaut der Regelung selbst als Problem benannt, sondern die konkrete Umsetzung der Regelung in der Unternehmenspraxis als schwierig beschrieben. Die befragten Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen zweifeln dabei seltener als die Befragten anderer Branchen daran, dass die Finanzverwaltung elektronische Belege vollständig akzeptiert. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass diese Unternehmen regelmäßig von den Finanzbehörden geprüft werden und daher über Erfahrungen im Umgang mit Prüfungen und der Vorlage der dabei geforderten Dokumente verfügen.

Die größte Zustimmung (73 %) ergab sich bei der Aussage, dass für eine vollständige Umstellung auf elektronische Archivierung organisatorische Abläufe in den Unternehmen zu ändern wären. Die Unternehmen nannten hier insbesondere die Einrichtung eines elektronischen Workflows und die Neuordnung von Posteingang und -ausgang. Große Unternehmen müssten dabei häufiger ihre Abläufe neu organisieren als kleine, möglicherweise weil die Prozesse in Großunternehmen oft stärker differenziert und arbeitsteilig mehr Stellen in der Organisation betroffen sind. Dass insgesamt für so viele Unternehmen eine Änderung der organisatorischen Abläufe erforderlich wäre, überrascht jedoch nicht; schließlich werden die Abläufe maßgeblich dadurch geprägt, ob sie elektronisch oder papiergebunden erfolgen. Ein Teil der Unternehmen bewahrt aber bereits jetzt bestimmte Unterlagen elektronisch auf, sodass bei einem Umstieg auf vollständige elektronische Aufbewahrung gewisse organisatorische Änderungen bereits vollzogen oder zumindest angestoßen sind.

Mehr als die Hälfte der Befragten (58 %) gaben an, Unterlagen deshalb in Papierform aufzubewahren, weil es sich für das Unternehmen bewährt habe; d. h. der Faktor Gewohnheit stellt ebenfalls ein häufig genanntes Hindernis dar. Der Vergleich der Größenklassen zeigt hier, dass sich die Papierform vor allem für kleine und mittlere Unternehmen bewährt hat und ein Grund dafür ist, Unterlagen auch weiterhin in Papierform aufzubewahren. Dagegen benennen nur 45 % der Großunternehmen dies als Grund. Ferner erklären circa 80 % der befragten Handelsbetriebe, Unterlagen deshalb in Papierform aufzubewahren, weil sich dies für ihr Unternehmen bewährt habe. Bei den Fertigungsbetrieben sowie den Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen ist dieser Anteil deutlich geringer.

Die Hälfte der befragten Unternehmen nannte als weiteren Hindernisfaktor Bedenken wegen der Sicherheit und Zuverlässigkeit elektronischer Systeme. Die Betrachtung der verschiedenen Unternehmensgrößenklassen zeigt hier deutliche Unterschiede. So bezweifeln 73 % der kleinen Unternehmen, aber nur 30 % der Großbetriebe, dass ein elektronisches System die steuerlich relevanten Daten sicher und über die gesamte gesetzliche Aufbewahrungsfrist hinweg lesbar archivieren kann. Großunternehmen nutzen allerdings bereits für verschiedene Aufgabenbereiche deutlich häufiger elektronische Systeme als kleine Unternehmen und haben vermutlich deshalb seltener Bedenken wegen deren Sicherheit und Zuverlässigkeit. Jedenfalls unterscheiden sich die Großbetriebe bei diesen Bedenken in ihrer Einschätzung signifikant von den übrigen Unternehmen. Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen äußern hier auch deutlich seltener Bedenken wegen der Sicherheit und Zuverlässigkeit von elektronischen Archivierungssystemen als die Vertreter der übrigen Branchen.

Die Anschaffungskosten eines elektronischen Archivierungssystems wurden von 43 % der Befragten als Hindernis für eine elektronische Archivierung genannt. Problematisch sind die Anschaffungskosten dabei insbesondere für Unternehmen mit geringeren Umsatzerlösen. 60 % von ihnen benannten die Anschaffungskosten eines elektronischen Systems als Hindernis. Dagegen sehen dies lediglich 26 % der befragten umsatzstarken Unternehmen als Hinderungsgrund. Eine entsprechende zusätzliche Befragung ergab, dass die meisten Unternehmen Angaben zur Höhe der möglichen Kosten machen konnten. Die im Einzelnen erwartete Höhe der Anschaffungskosten hängt dabei deutlich mit der Unternehmensgröße zusammen; entsprechend erwarten große Unternehmen deutlich höhere Kosten für die Anschaffung eines (vermutlich auch komplexeren) elektronischen Aufbewahrungssystems als die kleinen. Die Anschaffungskosten eines elektronischen Archivierungssystems werden von den befragten Handelsbetrieben häufiger als Hindernis genannt als von den Befragten anderer Branchen. Vor allem für die Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sind die Anschaffungskosten überwiegend kein Argument gegen eine vollständig elektronische Aufbewahrung.

Die Abfrage weiterer Gründe, die gegen eine elektronische Aufbewahrung sprechen, erbrachte im Wesentlichen zwei neue Aspekte: Ein Hindernis für die Umstellung auf eine vollständige elektronische Aufbewahrung ist der „Faktor Mensch“. Eine Reihe von Befragten erklärte hierzu, dass es unternehmensintern, d. h. bei Beschäftigten oder Unternehmensleitung, große Vorbehalte gegen ein elektronisches Verfahren gebe. Zudem sind es auch unternehmensspezifische Gründe wie etwa die Struktur der Kunden und sonstigen Geschäftsbeziehungen, die für eine Entscheidung gegen eine vollständige elektronische Aufbewahrung ausschlaggebend sein können.

5.3 Anreize für den Ausbau der elektronischen Archivierung

Ein wesentliches Ziel des Projekts war es zu ermitteln, ob und wie eine stärkere Verbreitung der elektronischen Aufbewahrung steuerlich relevanter Unterlagen in den Unternehmen erreicht werden kann. Hierzu wurden bereits im Vorfeld der Befragung folgende Maßnahmen zusammengetragen, die als Anreiz in Betracht kommen könnten:

  • breite Nutzung elektronischer Rechnungen, die unmittelbar verarbeitet werden können,
  • zertifizierte Software,
  • technische Richtlinie für rechtssichere elektronische Aufbewahrung,
  • Informationsplattform für technische Fragen bei Umstellung,
  • Informationsangebot des Berufsverbandes.

Insgesamt wurden diese Maßnahmen überwiegend positiv bewertet. Danach beurteilen die meisten der befragten Unternehmen eine breite Nutzung elektronischer Rechnungsformate als geeigneten Anreiz (76 %), aber auch eine zertifizierte Software (71 %) sowie eine technische Richtlinie zur rechtssicheren elektronischen Aufbewahrung (67 %) werden überwiegend befürwortet. Auch der Vorschlag einer Informationsplattform für technische Fragen, die im Rahmen einer Umstellung auf die elektronische Aufbewahrung auftreten, wird von der Mehrheit der Befragten als Anreiz gesehen (55 %). Selbst den vergleichsweise schwächsten Anreiz – ein verstärktes Informationsangebot des Berufsverbandes –  sieht noch knapp die Hälfte der Befragten als hilfreich an (49 %).

Die Unterscheidung nach Unternehmensgrößenklassen zeigt hier, dass bei den obengenannten Anreizmechanismen elektronische Rechnungen, zertifizierte Software und technische Richtlinie die Zustimmung bei den befragten Großunternehmen am deutlichsten ausgeprägt ist. So erklärten z. B. über 80 % der großen und mittleren, aber nur 58 % der kleinen Unternehmen, die breite Nutzung weiterverarbeitbarer elektronischer Rechnungen sei für sie ein Anreiz, Unterlagen elektronisch aufzubewahren. Bei den anderen genannten Anreizfaktoren – Informationsplattform für technische Fragen und Informationsangebote des Berufsverbandes –  ist dagegen die Zustimmung unter den kleinen Unternehmen stärker ausgeprägt als unter den Großbetrieben. So halten rund zwei Drittel der kleinen Unternehmen, aber nicht einmal die Hälfte der Großunternehmen eine Informationsplattform zur Beantwortung technischer Fragen für hilfreich.

Mögliche Unterschiede zwischen den Branchen lassen sich bei den Anreizen nur andeuten. Eine zertifizierte Software wird in allen Branchen von der Mehrheit der Befragten befürwortet. Die Zustimmung hierzu ist allerdings bei den anderen Leistungsbetrieben (z. B. Reparaturwerkstätten, Speditionen, Hausmeisterdienste) überdurchschnittlich stark ausgeprägt, bei den Handelsbetrieben dagegen deutlich geringer. Auch die Herausgabe einer technischen Richtlinie wird von den anderen Leistungsbetrieben besonders befürwortet. Die Einrichtung einer Informationsplattform für technische Fragen wird dagegen, verglichen mit anderen Branchen, von auffallend wenigen Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen als Anreiz gesehen. Möglicher Hintergrund hierfür ist, dass diese Unternehmen häufig einen festen IT-Dienstleister haben, von dem sie eventuell benötigte Hilfestellungen im Rahmen seiner Verträge erhalten.

Über die fünf konkret abgefragten Anreize hinaus konnten die Befragten selbst weitere Anreizfaktoren nennen, die sie von einer Umstellung auf die elektronische Aufbewahrung ihrer Unterlagen überzeugen könnten. 50 Unternehmen nannten weitere 61 Ideen für Anreize. Hier reicht das Spektrum der Vorschläge von finanzieller staatlicher Förderung der Umstellung bis zur Bereitstellung von Aufbewahrungssystemen. Die Vielzahl der genannten Anreizmechanismen lässt darauf schließen, dass nur ein Bündel verschiedener Maßnahmen geeignet erscheint, die Möglichkeiten der elektronischen Archivierung von Unternehmensdokumenten zukünftig stärker zu nutzen.

 

6 Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Die Projektbeteiligten teilen die Erkenntnis aus der Unternehmensbefragung, dass es keinen alleinigen Anreiz für eine Umstellung auf die elektronische Archivierung gibt, sondern stattdessen an verschiedenen Stellen mit verschiedenen Maßnahmen angesetzt werden sollte. Die Ausgangsbedingungen der Unternehmen unterscheiden sich, also müssen sich auch die Maßnahmen zur Förderung einer elektronischen Aufbewahrung unterscheiden. Ausgehend hiervon und unter Beachtung der von den Unternehmen genannten Hinderungsgründe wurde das weitere Vorgehen abgestimmt und entsprechende Maßnahmen verabredet. Dies stellt sich schwerpunktmäßig wie folgt dar:

Im Rahmen eines derzeit erarbeiteten BMF-Schreibens zu den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) wird geprüft, inwieweit dem Wunsch der befragten Unternehmen nach Umsetzungsempfehlungen, die die Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung befolgen und in der Praxis unkompliziert anwendbar sind, entsprochen werden kann. Hierdurch wird dem häufig als Hinderungsgrund genannten Faktor „Rechtsunsicherheit“ begegnet und zugleich die Akzeptanz beziehungsweise Sicherheit elektronischer Systeme erhöht. Bei den Projektbeteiligten bestand allerdings auch Einigkeit darüber, dass dieses BMF-Schreiben einen – möglichst weit gefassten – allgemeinen Handlungsrahmen darstellt und keine Entscheidung eines konkreten Einzelfalls beinhalten kann.

Von besonderem Interesse für die Projektbeteiligten war auch die Tatsache, dass häufig der Faktor Gewohnheit als Hinderungsgrund genannt wurde. Sie sehen daher eine vorrangige Aufgabe darin, bei den Unternehmen künftig noch stärker für die Vorteile der elektronischen Archivierung zu werben und bei der Umstellung z. B. durch Beratungs- und Informationsangebote (Informationsplattform) zu unterstützen. Dies ist eine Daueraufgabe und kann weder kurzfristig noch durch eine einmalige Aktion verwirklicht werden.

Durch das Projekt wurden wichtige Erkenntnisse über Hinderungsgründe und mögliche Anreize für die Umstellung auf eine elektronische Aufbewahrung unter Berücksichtigung der unternehmerischen Abläufe gewonnen. Diese können in einem Paket verschiedener Maßnahmen zu einer erheblichen Entlastung der Unternehmen von Bürokratiekosten beitragen. Nun kommt es darauf an, die von den Projektbeteiligten vereinbarten Maßnahmen zügig umzusetzen und sie zu gegebener Zeit einer Erfolgskontrolle zu unterziehen.

 

 

So weit, so gut. Bedenklich stimmen ein paar Untertöne im Bericht. "Zertifizierte Software" – wir waren froh, endlich die irreführenden "GDPdU-Konformitäts-Zertifikate" los zu sein. Wer soll denn da was zertifizieren. "Rechtssichere Archivierung" – "Rechtssicherheit gibt es nicht, allenfalls rückblickend Revisionssicherheit. Und dann die Frage nach der "Technischen Richtlinie". Ist hier eine vorhandene technische Richtlinie des BSI im Hinterkopf, so mit Signaturen für die Erzeugung der "Rechtssicherheit" (BSI TR 03125, BSI TR 03138)? Natürlich wollen sich Unternehmen in Bezug auf die Archivierung handelsrechtlich und steuerrechtlich relevanter Daten absichern.
Aber ist da ein Zertifikat sinnvoll?
Die Verfahrensdokumentation, die sich auf die real vor Ort betriebene Lösung bezieht, ist wesentlich sinnvoller!

Mit diesen Ergebnissen werden sich gleich wieder ein paar Leute auf den Weg machen, um ihre überbordende Technologie festzuschreiben und zu vertickern. Den Einfluss von Lobbies hat man ja schon bei den verschiedenen Änderungen der GoBD gesehen. Nicht nur die Signatur-Fanatiker sehen weiterhin im Bereich der elektronischen Archivierung Einsatzmöglichkeiten – auch die Vertreter des OKeVA Organisationskonzeptes elektronische Verwaltungsarbeit für die Öffentlche Verwaltung versuchen dies inzwischen der freien Wirtschaft anzudienen. Die Sonderlocken der öffentlichen Verwaltung sollen den Unternehmen die Möglichkeit geben auf "Augenhöhe" zusammenzuarbeiten … mit De-Mail, nPA, qualifizierten Signaturen und Nachsignieren. Man kann nur hoffen, dass die positiven und einfach umzusetzenden technischen Möglichkeiten aus dem BMF-bericht abgeleitet wird – und nicht dass jetzt auch der Mittelstand und Kleinunternehmen mit dem bürokratischen Overhead überschwemmt werden. Schon tauchen dort die ersten Fragen auf: http://www.project-consult.de/files/Interview_DHZ_ErsScan_Kff.pdf   

 

Ulrich Kampffmeyer

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

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