Von Web 3.0 zu Web 3.99
19. November 2007 23:00 Uhr | PC_admin | Permalink
Angeblich gibt es jetzt für Web 3.0 eine “offizielle” Definition: Web 3.0 is defined as the creation of high-quality content and services produced by gifted individuals using Web 2.0 technology as an enabling platform.
Dies schreibt Jason Calacanis in seinem Blog (http://www.calacanis.com/2007/10/03/web-3-0-the-official-definition/), worauf man sich gleich fragen kann, mit welcher Autorität der CEO der kleinen Firma Mahalo den Begriff 3.0 für sich besetzen kann. Oliver Gassner interpretierte die „offizielle“ Definition in seinem Blog (http://blog.oliver-gassner.de/archives/2345-Web-3.0,-die-offizielle-Definition.html) dann gleich wie folgt: "Web 3.0 sind Katzenbilder von Profifotografen auf richtig gut designten Blogs."
Die „0“ steht immer für etwas unfertiges, für etwas mit „Beta“-Charakter. Deshalb hier einmal 10 Thesen, wie es mit Web 3.0 (da es genug Konferenzen zu Web 2.0 gab, auf denen auch schon alles zu Web 2.0 gesagt worden ist, können wir das Kapitel 2.0 auch schon wieder schließen, denn 2.1 wird keiner sein Web nennen – da muss schon gleich Web 3.0 her) weitergehen könnte:
These 1
Mit all den schönen, offenen Communities, dem offenen SocialWeb, wird es spätestens in Web 3.01 ein Ende haben. Es wird sich alles in Richtung geschlossene Communities bewegen. Die heutige "grenzenlose Offenheit" wird ein Ende finden.
These 2
Mit geschlossenen Communities wird in Web 3.05 auch Spam und E-Mail gekillt. Man kommuniziert über zentral verwaltete Portalplattformen, z.B. Projekt-Plattformen, Partner-Plattformen, B2C-Plattformen und E-Mail bleibt nur noch für die Massenaussender übrig – und endet in der Firewall.
These 3
Spätestens mit Web 3.08 wird sich auch das herkömmliche Bloggen erledigen. Wer will denn noch immer in die Tasten hauen. Bild und Sprache, auch Sprache automatisch in Text gewandelt (sic!), lösen die Tastatur ab. Man wird in sein Handy sprechen, vielleicht ein paar Bilder dazu aufnehmen und dies automatisch an irgendwelche Verteilerdienste leiten (die übrigens auch das Twittern und Bloggen ad absurdum führen, da sie die gleichen Inhalte in x-Plattformen duplizieren). Das iPhone wird’s richten.
These 4
Zentrale Plattformen mit freien oder kostengünstigen Services werden die heimischen, nur von EDV-Freaks zu betreibenden Individual-Plattformen unnötig machen. SaaS heißt die Devise für Web 3.09, auch in der Kommunikation. Kein Ärger mit Updates, Sicherungen. Wenn einem die Plattform nicht mehr passt wird unter Mitnahme der Daten einfach gewechselt (siehe z.B. schon die ersten Diesnte für Bookmark-Services und Blog-Plattformen).
These 5
Web 3.1415 wird "Oma"-fähig. Einmal werden die jungen Protagonisten des derzeitigen Webs älter (und weiser?) zum anderen wird endlich mal was für Usability getan. Demokratisierung der Services ist eines der wichtigsten Themen – überall von jedermann jederzeit verfügbar. Als Web 3.1415 … "pi" … wird es überall präsent und unendlich sein.
These 6
Web 3.3 organisiert sich selbst. Selbstorganisation nicht nur durch Semantik a la Berners-Lee, sondern durch statistische Auswertung und verstärktes Nutzungs-Profiling. In Web 3.3 legt das System gleich nach der Geburt schon das Profil an und die Amerikaner müssen sich keine Daten mehr vor USA-Flügen schicken lassen. Beim Vorlegen des digitalen Ausweises werden auch der Einreisebeamtin die zuletzt besuchten Pornoseiten angezeigt und dass die Tube Zahnpasta, die man eben im Flughafenshop erworben hat, mehr als 100 Milliliter Inhalt hat (bitte sofort abgeben!).
These 7
Web 3.5 ist der automatische Dissertationsgenerator und zugleich der automatische Plagiatsprüfer. Der Science-Citation-Index wird abgeschafft und durch die Backlink-Zählung auf den Seiten des Wissenschaftlers abgelöst. Im Peer-Review diskutieren nicht mehr nur Peers, sondern auch die Community der BILD-Zeitung gleich mit. Das Urheberrecht und der Patentschutz werden mit Web 3.5 eingemottet, wer am Schnellsten und am Intelligentesten und am Verlinktesten publiziert, gewinnt. Alle werden alles und niemand wird nichts wissen – bis auf die Leute ohne USB-Wireless-Web-Adapter hinterm Ohr.
These 8
Das Internet-Archiv platzt mit Web 3.8, da es nicht gelingt, den Nachfolger der Petabox, die Multiple-Yotta-Box, zum Laufen zu bringen. Da ja auch die Nationalarchive und Nationalbibliotheken – fast – nicht – alles archivieren, belässt man es beim Internet-Archive nur noch bei Auszügen – Personalisierung, Video-Streams in zerhackten Formaten, Multi-Link-Backlink-Mashup-Quitters und Informationsmüll – der die Server umkreist wie der Raketenmüll die Erde – geben dem Archiv sowieso keine Chance.
These 9
Die wichtigsten Anwendungen von Web 3.9 werden der "Chinesisch/Meine Sprache-Konverter", das "Lösch-bitte-alle-meine-Spuren-im-Internet-Tool“ und das "Versteck-bitte-meinen-Standort-und-meine-letzten-Telefonate-und-die-Korrespondenz-mit-der-netten-Nachbarin-Privacy-Werkzeug". SocialSoftware wird eine Rückkehr ins Private erleben, die auch vor Plattformen wie Second-Life nicht haltmachen wird. Daher wird es in 3.9 auch eine neues "Welt-Grundgesetz" a la Netiquette geben – müssen.
These 10
Web 3.9999999999999999999999999999 … ist alles Müll. Ich bin Fan von Web 42 – der universellen Antwort auf alle Fragen. Also vergesst die Diskussion um Web 3.0. Die "Null" am Ende sagt ja auch nur, dass es sehr unvollkommen sein wird und wenn wir direkt von Web 2.0 (unter Umgehung der Versionen Web 2.1 bis Web 2.9999) ins Web 3.0 springen, kann ja nichts draus werden. (Kff)
PROJECT CONSULT Newsletter 20071120