CeBIT 2016

15. März 2016 15:19 Uhr  |  Dr. Ulrich Kampffmeyer  |  Permalink


Alle Jahre wieder geht es zur CeBIT. Nicht wenige können sich der Tage erinnern, wo es die CeBIT noch nicht gab, sondern nur in Halle 1 ein Sonderbereich für Computertechnik eingerichtet war. 1986 war dann die erste eigenständige CeBIT. Und es gab Zeiten mit über 700.000 Besuchern – und heute?

Es macht wenig Sinn über die Veränderungen von Messeveranstaltungen jedes Jahr erneut zu klagen. Die herkömmliche Messe für Softwarelösungen ist sowieso fraglich, da sich hier längst andere Wege der Präsentation aufgetan haben. Aber so eine komplette Halle für den Drohnenflug – das macht wieder etwas her (war auch mit Abstand das Lustigste).

Halle 3 – Nabel der Welt?

Zu unseren Themen ECM oder DMS oder EIM oder wie auch immer, gab es einen Schwerpunkt in Halle 3. Kennt man auch schon. Rund 400 Aussteller haben sich die Schlagworte der Branche in ihre Beschreibungen aufnehmen lassen. Von diesen befanden sich viele in besagter Halle 3. Jedoch visibel waren deutlich weniger. Nimmt man nur die Halle 3 (und nicht die anderen Hallen mit Anbietern, die in ihre Lösungen auch Dokumenten-Technologien integriert hatten) vermisst man die großen Namen der Branche: IBM und Microsoft mit anderen Schwerpunken. Wo sind eigentlich Oracle, OpenText, HP, Lexmark und Dell/EMC – zu unserem Thema Informationsmanagement – unter ferner liefen, in Halle 3 kaum was zu zu sehen. Gut vertreten wie immer der deutsche MIttelstand mit d.velop, ELO, Optimal Systems und Windream nebst Partnern. Neue Slogans wie Digitale Transformation lenken dabei von den klassischen Themen ab, auch wenn die üblichen Akronyme weiterhin hochpoppen. Traditionsmäßig wie immer die Partnerstände von BITKOM und VOI (letzterer hat übrigens am 17.3.2016 das 25 jährige Jubiläum. Gegründet wurde der VOI auf der CeBIT im damaligen NRW-Forum, heute Nord/LB Forum). Beim VOI noch weniger los als in der Vergangenheit und auch die Stände rund um die Kaffee-Arena der ECM-Fraktion im BITKOM, alles nur déja vu. Anzufassen gab es wie immer bei den Input-/Ouput-Anbietern wie Brother, Epson, Fujitsu, Inotec, KODAK, Kyocera, Konica und anderen – aber so richtig vom Hocker riss dort nichts. Die MFP-Anbieter allesamt sind mit mehr oder weniger Druck auf dem Weg ins digitale Dokumentenmanagement. Druck – ohne Drucker – machen auch Firmen, die aus dem Ausland kommen und sich breiter aufstellen – M-Files zum Beispiel. Alle fokussieren auf den Mittelstand, Digitalisierung als Leitmotto auf den Lippen – aber erreicht man den mit den üblichen Präsentationen und Shows auf der CeBIT? Auch lässt sich bei vielen Anbietern, zumindest beim Standpersonal, eine gewisse "Müdigkeit" auch nicht verhehlen. Aufbruchstimmung – eher wenig.

Was treibt den Markt noch an?

Natürlich ist Compliance immer noch eines der Hauptthemen, das zur Daseinsberechtigung der Branche massiv beiträgt. Heute eher weiter gefasst als Information Governance platziert. Was ich mir immer noch wünsche, ist eine Datenbank bei einem Verband, die über die aktuellen und kommenden rechtlichen Vorgaben Auskunft und Hinweise zur Umsetzung mit "ECM" gibt. Sehr nahe natürlich das Thema Aufbewahrung und revissionssichere Archivierung – ein Brot-und-Butter-Sujet für die Branche. Hier wünsche ich mir immer noch selbstdokumentierende Systeme, die eine Anwendung zur Verfahrensdokumentations-Akte als Standard mitbringen. Und damit sind wir bei dem wichtigen Thema der elektronischen Akte, die den Kontext der Informationen visualisiert. Hier wünsche ich mir immer noch die echte virtuelle Akte mit Metadaten-gesteuerten gesteuerten variablen Strukturen, die einfach als XML-Schema in die Aktenanwendung importierbar sind. Natürlich gewinnen auch die Prozesse, Workflow und BPM Business Process Management an Bedeutung, da hier die größten Effektivitätspotentiale gehoben werden können. Auch hier wünsche ich mir immer noch, dass man XML-Muster-Prozesse aus Bibliotheken einfach in die Anwendungen laden und dort einfach seitens des Systems selbstlernend oder manuell auf Basis der Audit-Trails anpasst. Für mobile Anwendungen bitte das herkömmliche Dokument auflösen und adäquat, schnell und gut erschließbar für die kleinen "Wisch-und-Weg"-Bildschirme aufbereiten. Natürlich ist das Scannen von Dokumenten weiterhin noch wichtig, aber die Verarbeitung und Erschließung der gescannten Inhalte wird bedeutsamer. Hier wünsche ich mir immer noch, dass die unnütze visuelle Qualitätskontrolle der Scans am Bildschirm durch automatische Verfahren mit OCR, Klassifikation, Interpretation und Bewertung abgelöst wird, denn, wenn die Maschine den Inhalt eines Scans fehlerfrei lesen kann, dann wird auch das menschliche Auge das Image lesen können. Und bitte, lasst endlich die deutschen Sonderlocken. Wir sind schon im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung ziemlich weit hinten dran. Und dies zeigt sich auch daran, dass die Branche immer noch keine griffige Botschaft verkünden kann, die den Anwender Sinn und Nutzen der Funktionen und Technologien nahebringt.

Was ist die neue Botschaft, was steht auf dem Banner?

Niemand bei den Anbietern (und Verbänden) weiß so recht, was die neue Botschaft sein soll, hinter der sich "die Branche" versammeln kann. In Punkto Messe und der Beschreibung der Halle 3 – da werden ein paar klassische Schlagworte ausgeguckt und dann ist man als Aussteller halt da, man geht hin. Für mich als Unternehmensberater ist der Hauptzweck des Kurzbesuches sowieso nur das Handshake, Touch base, die Treffen mit Freunden und Geschäftsfreunden. Man ist weniger an den Produkten interesssiert und hat dann meistens auch nicht die Zeit, sich noch in einen der Vorträge zu setzen – auch wenn das Programm und Themenspektrum wieder sehr ordentlich war. Und wenn schon Produkte ansehen, dann bitte was Neues, liebe Anbieter, und nichts "Überpoliertes" und mit neuer Versionsnummer Versehenes. Früher konzentrierten sich noch die echten Neuvorstellungen auf die CeBIT (Neuvorstellungen die auch den Namen Neuvorstellung verdienten) und heute, kaum jemand nutzt die CeBIT noch für Nueankündigungen. Dennoch gab es viele kleine Details und Entwicklungen – in anderen Hallen – z.B: Halle 11, 13, 16 -, die anregend wirken. Box und IBM, Amazon und Migration, Rechenzentren aus dem Container, natürlich-sprachige Steuerung von Systemen, Robotics, Robotics, Robotics, Wissensmanagement und Künstliche Intelligenz. Besonders bei IBM und Google gab es im Umfeld von konkreten Anwendungen der künstlichen Intelligenz interessantes Neues.

Hier sind Treiber der Zukunft zu finden, die alte Technologien rund um das Verwalten von Dokumenten traurig aussehen lassen werden. Bei der Erschließung und Verknüpfung der Inhalte, Zweck- und Medium-angepassten Nutzungsmodellen, direkt und semantisch auswertbar – hier spielt die Musik, nicht im Dokumentenmanagement.

Alternative Veranstaltungen?

Und hierdurch werden auch andere Veranstaltungen wieder auch für das Thema Informationsmanagement interessant, wenn es um Anwendungen geht, dier man direkt in die Kundenveranstaltungen auf Branchenmessen oder Veranstaltungen wie der Hannover-Messe präsentiert. Dort dürfte  sich eher das Thema IoT, Industrie 4.0, Smart Industry richtig austoben. Auch für die ECM-Anbieter, die jetzt zunehmend das Thema der digitalen Transformation aufgreifen, heißt es, sich neu zu orientieren – statt in einer Halle mit dem geliebten Wettbewerb auf der CeBIT sich auf funktionale Vergleiche herunterziehen zu lassen, mal mit innovativen Lösungen für das reale Leben an den zukünftigen Kunden herantreten. Anwendungen, integrierte Applikationen, Nützliches anstatt platter Funktionalität und Featuritis. Und es gilt weiterhin – wer sich seine Kunden und Interessenten nicht direkt auf seinen CeBIT-Stand eingeladen hat, kann mit der Laufkundschaft schwerlich zufrieden sein, denn was ist heute schon ein "Fachbesucher"?. Aber immerhin ist es schon gut, dass sich eine ganze Halle – theoretisch – dem Thema Informationsmanagement widmet. Dies zeigt, Technik – aber auch Markt – sind matur. Und wer sich dann Innovationen ansehen will, der geht halt in eine andere Halle der CeBIT und spielt mit Drohnen, sprechenden Social Robots, 3D-Druckern, Virtual-Reality-Masken und andem Gadgets herum. OK – es gab auch anderes Interessantes, Innovationen, geile Ideen, richtig interessante Sachen mit Zukunft und EInfluss auf unser aller Leben- nur halt nicht bei ECM.  

Wo stehn wir insgesamt?

Dass die ECM-Branche ein Nebenkriegsschauplatz ist, macht eigentlich garnichts. Denn auch in anderen Bereichen sind weder die CeBIT noch Deutschland top. Immerhin blieb einem in diesem Jahr eine Umleitung – um der Kanzlerin nicht in den Weg zu geraten – erspart, aber in der ECM-Halle verweilte sie ja sowieso noch nie. Ihr Thema wäre eigentlich ja auch E-Government. Die Situation beim E-Government hat sich nicht verbessert und in Halle 7 gab es wieder dieses komische Zeugs mit dem sich die Behörden ausstatten sollen. Von der Förderung des Breitbandausbaus bis zu all den komischen Regularien hin, vom Datenschutz mal gabnz zu schweigen, eigentlich traurige Zeiten und die Messe ist nur ein Abklatsch dieser. Eines wurde überall auf der CeBIT für Fachbesucher (Schüler, Studenten auch wieder unterwegs?) deutlich – irgendwie sind wir in Deutschland abgehängt worden und da ist vielleicht sogar das prognostizierte 4%-Wachstum des ECM-Marktes für die mittelständischen Anbieter eine Erfolgsstory.

Danke!

Ach ja, ehe ich es vergesse. Vielen Dank für die Gastfreundschaft des VOI und danke für das Mittagessen im besten Restaurant in Halle 3 – Optimal Systems.

Ach ja, und sonnig war es am Montag draußen!

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Curriculum auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Kampffmeyer

3 Kommentare zu “CeBIT 2016

  • Ich finde es auch schade,
    17. März 2016 um 13:34
    Permalink

    Ich finde es auch schade, dass das Standpersonal eine „gewisse Müdigkeit“ ausstrahlt. Keiner lebt mehr für sein Produkt 🙁
    Da ist es bezeichnend, dass man auf konkrete Fragen, nur in seltenen Fällen eine gute Antwort bekommt.

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  • Lexmark ?!
    6. April 2016 um 7:55
    Permalink

    Ein Gerücht, dass schon länger die Runde macht, ist das Lexmark zum Verkauf steht. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Enterprise Software Division, wo sich eine Reihe prominenter Akquisitionen wie Saperion, Readsoft, Kofax und andere tummeln. War zunächst von Konica die Rede (Konica hatte sich erst vor einigen Monaten im Softwarebereich verstärkt), so ist nun Lenovo ins Gespräch gekommen: http://bit.ly/Lenovo-Lexmark . Die Frage wird in jedem Fall laufen, woran hat der Aufkäufer ein Interesse – am Drucker- und MFP-Geschäft, das bei allen Anbietern – außer Kyocera – wohl rückläufig ist, oder will man sich durch die Software im Dokumentenmanagement verstärken – oder beides? Wie auch beim Dell/EMC-Deal mehren sich die Gerüchte, dass die ECM-Software-Sparten durchaus "abspaltungsfähig" sind. Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass alle Drucker-, Scanner- und MFP-Anbieter massiv in den Markt mit elektronischen Dokumenten drängen. Lenovo ist hier überhaupt noch nicht präsent.  

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    • Lexmark Übernahme
      20. April 2016 um 16:34
      Permalink

      Nun wird es doch kein Marktbegleiter oder Marktneueinsteiger – Lexmark wird von einem Konsortium von Apex Technology, PAG Asia Capital und Legend Capital übernommen. Der Kaufpreis ist immerhin 3,6 Milliarden US Dollar. Kein Pappenstiel. Dies obwohl der Umsatz der Lexmark-Software-Division massiv eingebrochen ist (ca. 15%) – trotz Zukauf von Kofax und anderen Ertragsbringern.

      Die offizielle Botschaft ist, man möchte die Geschäfte in Asien ausbauen. Nun muss sich aber noch zeigen, wie die einzelnen Geschäftssegmente weitergeführt oder aufgesplittet werden – gerade bei der Betrachtung Drucker vs. Software-Produkte eine sehr interessante Frage. Wenn nicht im Ganzen kapitalisierbar, dann velleicht in kleineren Schnittchen. Auch die neuen Finanzgeber müssen sich überlegen, was denn aus der ES-Divison überhaupt langfristig Geld bringt. Und bei den Hardware-Komponenten, Scanner wie Drucker wie auch MFPs, da sind Preise und Gewinne bei allen Anbietern im Sturzflug.

      So könnte zum  Beispiel Kofax an Oracle gehen und Readsoft an SAP. Ähnlich hatte sich Reynolds Bish erst kürzlich geäußert. Um Saperion herum sieht es nicht besonders gut aus, da nur in Deutschland richtig präsent und personell auch am Ausbluten ist. Erste Anwender haben auch bereits ihre Projekte mit Saperion eingestellt. Perceptive hat die Chance, zumindest in den traditionellen Märkten wie den USA weitergeführt zu werden.

      Da auch weitere Unternehmen – zum Teil sehr große "Sahnestückchen" wie Documentum – am Markt sind, war es generell sehr schwierig die schwächelnde Druckersparte und das wenig konsoliderte Softwareportfolio in einem Stück an einen geeigneten Anbieter zu verkaufen.

      Die Marktsituation ist auch durch den geplanten Vorab-Verkauf von Documentum & Co seitens EMC in Vorbereitung der Übernahme von EMC durch DELL schwierig für große Übernahmen geworden (http://bit.ly/EMC_Documentum). In einem maturen Markt geht es meistens nur noch um Kunden und Wartungsverträge, denn Produkte hat man selbst bereits.

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