Warum ist Netzneutralität für Information Management relevant?
23. November 2017 20:03 Uhr | Dr. Ulrich Kampffmeyer | Permalink
In den USA geht es zur Sache. Die zuständige Behörde Federal Communications Commission (FCC) unter Leitung des Republikaners PAI will die bisherige Regelung zurückdrehen. Dies würde den Kabelbetreibern erlauben, teuerere Überholspuren einzurichten. Gegen diese Initiative der FCC wird in den USA mobil gemacht (z.B. http://bit.ly/Battle-for-the-Net) aber auch die Protagonisten der Netzneutralität befürchten angesichts der politischen Konstellation das Schlimmste. Der SPIEGEL fasst dies als “Kampf ums offene Internet in den USA: Team Internet will Team Kabel stoppen” zusammen. Die Auseinandersetzung läuft aber schon – mehr oder weniger in Europa ignoriert – seit Monaten.
Was heißt dies nun für das Informationsmanagement?
Mit immer mehr Information (wie z.B. der IoT-Schwemme usw.) und immer größeren Informationsobjekten (wie z.B. 3D-Objekten, 4K-Video usw.) kommt der verfügbaren Bandbreite und Geschwindigkeit der Übertragung eine immer wichtigere Rolle zu. Besonders der Trend in die Cloud, der auch vor den bisherigen Ansätzen der Archivierung, des Enterprise Content Management oder des BPM nicht halt macht, bedarf verlässlicher schneller und hochkapazitativer Leitungen. Schon bei einfachen und weit verbreiteten Office365-Sharepoint-Collaboration-Lösungen (ist ja auch eine Art ECM) schlägt das Thema Bandbreite zu. Während sich Großunternehmen – vielleicht – Überholspuren der Kabel- und Netzdienstleister finanziell leisten können, wird es beim kleineren Unternehmen und Mittelständlern schnell eng. Sie werden noch mehr benachteiligt als bisher. Mehrere Standorte komfortabel zu verbinden, voll auf Digitalisierung aller Informationen zu setzen, kann so sehr teuer werden.
Daher ist die Netzneutralität kein Thema der “Internet-Nerds” sondern geht uns alle an. Die sich anbahnenden Abhängigkeiten und Zwangsschrauben sind ein Risiko für die digitalisierte Wirtschaft. In Europa konnten Inititiativen bisher die Netzneutralität wahren. Wenn jetzt aber die USA einknicken ist dank internationaler, global agierender Konzerne und passender Wirtschaftsabkommen das Thema auch wieder bei uns auf dem Tisch. Mit deutlich schechteren Chancen, das offene Internet, die Net Neutrality, zu bewahren.
Mit der Netzneutralität ist es in den USA vorbei
Das war’s dann wohl mit der #NetNeutrality in den USA http://bit.ly/NetNeutrality-gone. Die Entscheidung wird auch Auswirkungen auf Europa und damit auf Deutschland haben. So werden die Auswirkungen auch in der deutschen Presse- und Blog-Landschaft diskutiert – und negativ bewertet. Auch Tim Berners-Lee, Erfinder des Internet, hatte kurz vor Ablauf der Entscheidung auf die Auswirkungen hingewiesen (http://bit.ly/Berners-Lee_Netneutrality ) und Pai kritisiert (http://bit.ly/TBL-NetNeutrality). Die Abstimmung in der Federal Communications Commission (FCC) in Washington fand mit 3 zu 2 Stimmen des Gremiums statt. Dabei geht es nicht nur um die “Überholspuren” sondern auch um das Blocken von Wettbewerbern.
Netzneutralität ist nicht ein diffamierbares Desiderat der Nerds sondern etwas, was uns alle angeht. Bildung, Wirtschaft, Unterhaltung, Information – alles läuft über das Internet. Die Unesco beklagt bereits beim Thema Bildung, dass die Dritte Welt abgehängt sei. Und auch in den Industriegesellschaften wird sich durch die Überholspuren für teuer bezahlte Dienste die Kluft zwischen Arm und Reich, Gebildet und Ungebildet, Bevorzugt und Zurückgelassen, weiter vertiefen. Netzneutralität ist auch eine gesellschaftliche, kulturelle und ethische Frage in Zeiten der Informationsgesellschaft.
Es interessiert schlicht und einfach niemanden
Das Problem mit der Netzneutralität ist – ebenso wie mit vielen anderen Themen im Web – dass sich niemand dafür interessiert, weil die meisten Menschen ja ohnehin keine Ahnung davon haben wie was im Web funktioniert. Ich habe es aufgegeben mit irgendjemandem darüber zu reden, weil der Großteil der Menschen möchte auf Facebook Katzenfotos liken. Bereits die einfache Tatsache, dass sie für jedes “like” auf Facebook damit bezahlen, dass ihr Profil geschärft wird und die Werbeindustrie ihnen noch eindeutiger passende Werbung zuschicken kann, übersteigt das Vorstellungsvermögen des typischen Internetnutzers. Google saugt Daten ab? Mir egal, ich habe nichts zu verbergen. Usw. usw.
Das Web ist ein riesiger Haufen von Gratisspielzeug und das wars, Wir verkaufen uns für ein paar Glasperlen.