Fußnoten

18. Juli 2006 22:00 Uhr  |  PC_admin  |  Permalink


Vieles von dem, was sich heute im Markt für DRT Document Related Technologies abspielt, verdient Aufmerksamkeit! Einige Ereignisse werden aber nur zu Fußnoten. Fußnoten mit ihren Referenzen und Erklärungen wirken immer so wissenschaftlich, haben in dicken Büchern Bestand.Hier wollen wir jedoch nur ein wenig an der Oberfläche einiger Nachrichten kratzen und haben deshalb vorsorglich den Text1)2)3)4)5)6)7)8)9)10)11), auf den sich die Fußnoten beziehen, weggelassen.

 
1) Multilingualität. Bill Gates hat angekündigt, dass er sich zum „Retter der Regionalsprachen“ aufschwingen will, so zumindest die FAZ in Ihrer Ausgabe vom 14.07.2006. Microsoft will ab 2007 die Software in 100 Sprachen ausliefern. Das Elsässische ist der Pilot. Ein ehrenswerter Vorstoß, sind wird doch heute vom Englischen fast übermannt und das Chinesische ist noch gar nicht angekommen. Fragt sich nur, wie man es macht – 100 verschiedene Releases oder nur ein Release mit 100 Sprachressourcen, die man dann auch noch dynamisch zur Laufzeit anziehen und wechseln kann. Letzteren Ansatz dürften besonders multinationale Unternehmen bevorzugen. Ach ja, und bitte ein professionelles Übersetzungswerkzeug gleich mit in die Funktionenleiste aller Produkte einbauen!

 
2) Konvergenz & Konsolidierung. Eine kurze Mitteilung, dass KOFAX jetzt auch ihre Scan-Technologie für Oracle verfügbar gemacht hat, zeigt dass es jetzt ernst wird. Bisher griff jeder ECM-Spezialanbieter auf eine Standarddatenbank wie z.B. SQL-Server, Oracle oder DB2 als Kern- und Verwaltungskomponente seiner Lösung zurück. Ohne Datenbank geht nichts. Nun holt er sich durch die erweiterte Funktionalität und Strategien zur Speicherung von BLOBs in den Datenbanktabellen den Wettbewerb direkt ins Haus. Die beiden Konzepte, Referenzdatenbank mit externer Datenhaltung und integrierte Datenbankhaltung stehen zunehmend im Wettbewerb. Die ECM-Anbieter brauchen nun neue Argumente warum man nicht gleich die Funktionalität der Datenbank selbst benutzt.

 
3) Rotation. Das Personalkarussell dreht sich. Bekannte Namen wechseln von einer Firma zur anderen. Auch vor Geschäftsführern macht die Rotation nicht halt. Einige Anbieter lassen sich die Gewinnung neuer Mitarbeiter etwas kosten. Was die SER Solutions zur Zeit versendet ist eher eine Image-Broschüre denn eine Mitarbeitergewinnungsschrift. Dennoch, der Mangel an Fachkräften ist gewaltig. Es zeichnet sich ab, dass die Produkt- und Lösungsanbieter sogar dazu übergehen werden, Beratungsfirmen en Bloc aufzukaufen, um der Komplexität der ECM-Lösungen gerecht werden zu können. Der Global-Services-Ansatz lässt grüßen.

 
4) Acquisitions. Die Mergers & Acquisitions gehen weiter, kein Ende abzusehen. Zu viele hungrige Anbieter von Standardsoftware, Hardware und IT-Dienstleistungen wollen in diesen lukrativen Markt: „Wer die Information des Kunden im Griff hat, hat den Kunden selbst im Griff“ scheint der Slogan zu sein. Auffällig geworden sind besonders EMC, IBM und eine Reihe von Speichersystemherstellern. Aber auch Unternehmen wie EDS, Computer Associates und andere steigen in den Ring. Je mehr ECM zur Infrastruktur und Commodity wird, desto schwerer haben es die arrivierten Anbieter. In diesem Licht ist auch die Ankündigung von OpenText zu einer möglichen Übernahme von Hummingbird zu werten. Es geht inzwischen um Überleben der traditionellen Anbieter.

 
5) Nestor. Das Projekt Nestor feiert sein dreijähriges Bestehen und zugleich das Auslaufen der bisherigen Finanzierung. Die Ansätze von Nestor stehen nicht nur in Deutschland neben anderen Initiativen, sondern auch international gibt es zahlreiche andere Projekte zum Thema Langzeitarchivierung. Eines hat Nestor jedoch auf jeden Fall bewirkt – Anbieter und Zeitschriften der ECM-Branche in Deutschland nehmen jetzt ernsthaft wahr, dass es ein riesiges, unerschlossenes Feld der Archivierung außerhalb der Unternehmen gibt: Museen, Bibliotheken, Verlage, Forschungsinstitutionen, öffentliche Archive – sie alle hungern nach Lösungen, die nicht nur auf die nächsten 10, sondern auf die nächsten 300 Jahre zielen.

 
6) MoReq2. Um das DLM-Forum war es nach der letzten Konferenz in Wien etwas ruhiger geworden. Jetzt trägt die Arbeit jedoch Früchte. Die Europäische Kommission hat den Call für das MoReq2-Projekt veröffentlicht. Neben der Erweiterung der Spezifikation geht es diesmal auch um Testkriterien und Zertifizierungsverfahren. MoReq hatte in den letzten Jahren zunehmend an Akzeptanz gewonnen, obwohl kein Anbieter von sich aus sich der Mühe unterzogen hat, MoReq zu implementieren. Abwarten herrschte vor. Dies wird sich mit MoReq2 ändern.

 
7) Fachzeitschriften. Fachzeitschriften haben es im Zeitalter des Internets und der Portale immer schwerer. Qualität und Aktualität, Richtigkeit und offener Zugriff, Verlinkung und Werbung – sie stehen hier zunehmend im Wettbewerb. Dies müssen nicht nur akademische Plattformen wie Universitätsverlage feststellen sondern auch die Vielzahl der bunten Blätter einer ECM-Branche. Einige gedruckte Exemplare hatte es ja in letzter Zeit vom Markt gefegt. Andere wollen neu starten und es gibt sogar Ansätze, das eine oder andere Blatt unter neuer Flagge wiederzubeleben. Was heute jedoch zählt, ist allein die Kombination elektronischer und gedruckter Information. Hier fehlt es aber im ECM-Umfeld immer noch an guten Beispielen.

 
8) Verwaltungsreform. Es wurde in den letzten Jahren viel über E-Government geredet und geschrieben. Erfolgreiche Projekte mit ganzheitlichem, durchgängigem Ansatz gibt es aber wenige. Allen Beteiligten müsste inzwischen klar geworden sein, dass es nicht am Einsatz technischer Systeme liegt, sondern an Hierarchien und Verwaltungsverfahren. Während einige sich bemühen, die Verwaltung schlanker zu machen, schiebt die Bundesregierung neue Projekte für neue Mammutverwaltungen an. Das Stichwort Public-Private-Partnership wird hier ad absurdum geführt. Solange kein Geld da ist und die Verwaltung weiterhin frei wuchert, wird es nichts mit den hehren Zielen von DeutschlandOnline2010. Im europäischen und internationalen Vergleich sind wir längst abgehängt, auch wenn man sich beim Frisieren der Statistiken sehr viel Mühe gibt.

 
9) Suchmaschinen. Längst geht es bei Enterprise Search nicht mehr nur um Suchmaschinen. Es ist eine generelle Strategiefrage geworden, ob man seine unstrukturierten Daten mit einer Suchmaschine erschließt oder sich der Mühe einer Ordnung mit RM/DMS/ECM unterzieht. Letzte Bastion des geordneten Ansatzes sind Anwendungsfelder, die Compliance-Anforderungen unterliegen, wie z.B. im kaufmännischen Bereich. Deshalb wird dieses Thema auch von der ECM-Branche so gestresst. Bei allen anderen finden sich immer häufiger Desktoptools, frei heruntergeladen, mit denen man sich in seinem Dateiwirrwarr besser orientieren kann als mit dem Dateimanager. Ein Paradigmenwechsel bei der Verwaltung und Erschließung von Information bahnt sich hier an: Suchmaschine versus Datenbank versus ECM. Vielfach kann man aber aus dem „versus“ auch ein „und“ oder „oder“ machen. Enterprise Search als wesentliche Komponente einer Unternehmensinfrastruktur lässt sich jedoch nicht mehr aufhalten. Letztlich ist das große Ziel, alle Information in einen Topf und nach beliebigen Kriterien zu erschließen. Ein integriertes Informationsmanagement wird bald alle Ansätze unserer Branche in Frage stellen und anschließend ablösen.

 
10) WinFS. Viele Erwartungen hatten sich an WinFS geknüpft. Endlich ein Dateisystem, dass mit einer vernünftigen Verwaltung zusätzliche „Management“-Lösungen – wie z.B. ein DMS – überflüssig macht. Endlich ein einheitlicher Speicherort für alle Daten und Dokumente in der Microsoftumgebung. Nichts draus geworden. Zu große Umstellungsschwierigkeiten würden jeden Anwender auf die Palme treiben und neue Ansätze, wie Suchmaschinen etc., müssten noch in WinFS nachgezogen werden. Aus. Abgekündigt. Gleichzeitig geht ein Aufatmen durch die ganze DMS-Branche, der große Knockout bleibt aus – oder? Man kann sich jetzt wieder auf die Lücken im Microsoft-Portfolio konzentrieren wo z.B. aus separaten Repositories E-Mails und Dokumente an einer Stelle zusammengeführt werden wollen. Aber man darf dabei nicht unterschätzen, was bereits mit den mitgelieferten SharePoint-Services – auch ohne SharePoint Portal Server – möglich ist, und was noch hinzukommt, wenn mittels Workflow auf Betriebssystemebene die Komponenten und Dienste von Microsoft besser zusammengeführt sind. Im Moment schützt die ECM-Branche noch die Unvollständigkeit und die Komplexität des Microsoft-Angebotes. Zukünftig können aber ECM-Lösungen so aussehen, dass man einfach Microsoft-Funktionalität mit einem sicheren Speicher kombiniert – und fertig ist die Laube. Spätestens dann werden wir das Akronym ECM in „Enterprise Change Management“ umdefinieren.

 
11) GDPdU. Das Ende der Debatte ist erreicht. Jeder weiß jetzt wie es geht und wer es noch nicht weiß, liest noch einmal Lindgens, Groß, Kampffmeyer & Co. Die GDPdU-Plattformen wandeln sich. Angrenzende Themen wie elektronische Signatur, elektronische Rechnung, E-Commerce, E-Mails und Verfahrensdokumentation werden ersatzweise aufgegriffen. So richtig Neues zu den GDPdU vermissen wir hier schon seit längerem. Auch die Herausgeber von Loseblattwerken zum Umfeld der GDPdU haben so ihre Schwierigkeiten ihre Autoren zu immer neuen Beiträgen zu bewegen. An den GDPdU und ihrer Umsetzung hat sich substantiell nichts mehr getan. Die letzte Hürde war immer noch SAP, die vielgescholtene. Aber auch hier macht die jüngste Veröffentlichung der DSAG, der deutschen SAP Anwendergruppe, deutlich, dass es auch für das SAP-Umfeld passende Lösungen gibt. Die Archivierungsfrage hat sich erledigt, da nur die Daten vollständig, richtig und passend aufbereitet vom führenden System dem Archiv bereitgestellt werden müssen. Mit passenden Repositories und passenden Clienten lassen sich dann alle Bedürfnisse des Zugriffs außerhalb des die Daten ursprünglich haltenden Systems erfüllen. Den Sack zumachen? Ganz noch nicht. Wir warten noch auf die großen Prozesse mit den kostenträchtigen Urteilen (auch wenn sich kaum so etwas Spektakuläres wie der Prozess um ENRON bei uns im schönen Deutschland abspielen wird). Und – nicht alle steuerpflichtigen Unternehmen sind den GDPdU-Missionaren bisher erlegen, noch zu viele Unternehmen warten einfach ab und kümmern sich nicht um eine ordnungsgemäße Verwaltung ihrer Daten. Es muss und wird also in Bezug auf die Umsetzung noch weitergehen, doch die großen Diskussionen um Inhalt und Auslegung der GDPdU sind vorbei. (Kff)

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